Brasilien Spezial – Teil 3

Nach zwei bereits spannend zu lesenden Parts kommen wir nun zum “Grand Final” unserer Brasilien-Reihe. Der Gringo hat sich ein weiteres Mal ins Zeug gelegt, um euch interessante Einblicke in die Welt der Torcidas zu eröffnen. Dieses Mal kommt mit Christiano sogar der Präsident der Torcida Garra Alvinegra vom ABC Futebol Clube Natal zu Wort – OBRIGADO pela sua contribuição! É uma honra! Das Teilen dieser wertvollen und stellenweise persönlichen Erfahrungen, verdient Dank und Respekt. Nehmt euch also gerne die Zeit und lest zunächst Teil 1 und Teil 2, bevor ihr die Trilogie abschließt. Viel Spaß dabei!

 

(Marcello) Hm, wie sollte ich den letzten, für mich persönlich interessantesten Teil anfangen? Laaaaaange hab ich mir diese Frage gestellt, um dann mit der wohl logischen Frage „Was sind eigentlich Torcidas?“ zu beginnen. Zunächst einmal möchte ich als erstes betonen, dass es genauso undifferenziert wäre, Torcidas als Ultras bezeichnen, wie die Betitelung von Ultras als Hooligans. Allerdings weisen beide Anhängerkulturen (also Torcidas und Ultras) klare Parallelen zueinander auf.
Da sich dieser dritte Teil um aber „Garra Alvinegra“ drehen soll, folgt nun ein kurzer, aber wesentlicher Exkurs:

IMG_4113„Torcida“ bezeichnet – wie im Portugiesischen üblich – nur sehr unpräzise etwas, nämlich einen Anhänger. Das Wort stammt vom Verb „torcer“ und heißt frei übersetzt so viel wie durchdrehen.
Aber egal, wer ins Stadion geht, er ist Anhänger des Vereins und das unabhängig davon wie und mit welcher Absicht er ins Stadion geht, er ist Torcedor/Torcida. Die Gruppen in Brasilien werden als „Torcida organizadas“ bezeichnet, was nichts weiter als „Anhängerorganisation“ heißt. Der Grund für diesen einfachen Ausdruck ist genauso simpel wie er selbst: Diese Kultur ist eine rein brasilianische – Es gibt logischerweise Parallelen zur Ultrakultur und den Barras in Argentinien, aber in den 1960ern war es schlicht und ergreifend einfach nicht möglich, sich großartig etwas „abzuschauen“ – noch weniger als damals in Deutschland (Wo an die Ultrabewegung ja noch gar nicht zu denken war). Dies hat dementsprechend zur Folge, dass viele Gruppen schon sehr alt sind. Die wahrscheinlich älteste Gruppe des Landes ist „Jovem Fla“ („Flamengo Youth“), welche 1967 gegründet wurde. (An dieser Stelle ein Gruß an unsere Freunde aus Rio und weiterhin die Forderung ultras.ws abzuschaffen!) Allerdings gab es schon in den 1940er Jahren (!!!), erste Zusammenschlüsse von Torcidas, um den Stadionbesuch zu einem noch größeren Erlebnis zu machen – Sei es durch Fahnen, Konfetti und organisierte Fangesänge.
Die Intention dabei ähnelt der der Ultrabewegung sehr: Seinen geliebten Verein organisierter, lauter, bunter und kreativer zu unterstützen.

Ohne zu weit ausholen zu wollen: Im Stil unterscheiden sich die Torcidas meist schon eher von den Ultras in Europa. In Brasilien ist es nicht Anspruch, 90 Minuten im Stadion zu singen, sondern Konvention. Dies hängt mit der Auffassung zusammen, dass die Mannschaft immer unterstützt werden muss, um seinen Teil zum Sieg beizutragen. Dies gilt auch, wenn man mit der Leistung der Spieler oder generell mit dem Präsidium nicht zufrieden ist – Proteste werden meist in der Halbzeit „ausgetragen“ oder anderweitig geäußert.

IMG_4117Normalerweise hat jede Torcida organizada ein eigenes Maskottchen, das sich meist an das Wappentier des Vereins anlehnt. Dieses wird dann mit Gruppenlogo, Vereinsfarben und dicken Muskelbergen versehen. Garra Alvinegra stellt hier allerdings eine Ausnahme da – Hier ist es nämlich die Fledermaus, obwohl das Vereinstier ein Elefant ist. Fahnen gehören in Brasilien weniger dazu als bei uns. Diese sind meist sehr schlicht gehalten und relativ groß, was auch für die Zaunfahnen gilt. Wenn man im Ultrá-Jargon bleiben möchte, könnte man vom „Vecchio-Stile“ sprechen.

Eine Besonderheit gegenüber vielen Ultragruppen ist die strenge Hierarchie: Es gibt einen Präsidenten, Vize und Schatzmeister. In einigen organizadas werden diese sogar bezahlt, das war und ist in Natal aber nicht der Fall.

Bevor ich nun zum „ganz Wesentlichen“ übergehe, möchte ich noch kurz auf den Punkt „der Gewalt“ eingehen. Viele Torcidagruppen haben eigene Kampfsportsektionen, in denen Thaiboxen, MMA und Judo gelehrt werden, meist auch in den eigenen Räumlichkeiten. Dementsprechend sind die Mitglieder der Gruppen robust aufgestellt und wenig gehemmt, Gewalt anzuwenden. Bei der heftig agierenden Polizei in Brasilien (siehe Teil 1), entsteht so natürlich eine miese Abwärtsspirale.

IMG_4105Nun aber zu „Garra Alvinegra“. Der Name bedeutet „Schwarz-weiße Gang“ und gegründet wurde die Gruppe 1991 als „Gang Alvinegra“– Kurioserweise also noch eine relativ junge torcida organizada. Wie eben erwähnt ist das Maskottchen der Gruppe eine Fledermaus – weil sich diese immer im alten Stadion von ABC herumtrieben, wenn es dunkel wurde. Am dritten März 1991 trat TGA (Torcida Garra Alvinegra) erstmals mit 75 Leuten im Stadion auf, heute sind es an guten Spieltagen über 250. Die Gruppe verteilt sich auf über 15 Sektionen in und um die Stadt Natal und nicht ganz ohne Stolz wurde mir erzählt, dass jede Sektion in ihrem Viertel versucht, mehr Menschen für ABC zu begeistern – Hier ist eine Parallele zu den Barras zu finden.

Als ich Augusto kennenlernte, war das mein Glücksgriff für den Aufenthalt in Brasilien. Dieser ging mit mir zu Bruno, dem Vizepräsidenten der Gruppe. Nachdem die beiden sich vor Spielbeginn des Stadtderbys unterhalten haben, kam dieser in der Halbzeit zu mir und drückte mir Tanktop und Kappe der Gruppe in die Hand. Ich vermag nicht zu urteilen, inwiefern es damit zusammenhing, dass ich Augusto dabei hatte, der eine Persönlichkeit in der Fanszene von ABC darstellt, allerdings ist es einfach Fakt, dass sowas, egal ob es sich um eine Gruppierung von Ultras, Torcidas oder einer Barra Brava handelt, nicht um eine Selbstverständlichkeit handelt.

Hinzu kommen noch die Fakten, dass Ausländer in Brasilien kein alltäglicher Anblick sind, ich wurde also erst einmal ordentlich beäugt und gemustert, als ich das erste Mal dort zugegen war und dass man Europäern sowieso ziemlich kritisch gegenüber steht, arbeitete auch nicht für mich. Genauso wie in Deutschland Vorurteile gegen andere Länder und Sitten bestehen, bedienen sich auch Brasilianer verschiedener Stereotype. Daher wurde ich auch schnell als „reicher Deutscher“ hingestellt. Mit diesem Vorurteil musste ich kämpfen bis zur Auswärtsfahrt nach Recife. Mir wurde mehrmals gesagt, dass es an diesem Tag sehr wahrscheinlich ziemlich Ärger geben könnte. Mit einer Mischung aus jugendlichem Leichtsinn und dem Reiz des Unbekannten sagte ich aber nur freundlich, dass ich damit leben könne. Dies schien den Torcidas dort wohl großen Respekt abzuringen – Im Nachhinein war die Warnung jedoch nicht ganz unberechtigt. Mir ist zwar nichts passiert, aber sowohl die Ansage von einem Bullen „Don’t make trouble, Brazilian jail is no fun“, als auch das doppelte Geballer mit der Gummipump in die Luft, waren dann schon „Randerfahrungen“ wie man so schön sagt. Die größte Angst an diesem Tag von mir, war spätestens nach der Predigt vom Cop, hier einzufahren, gerade in Recife, 300 Kilometer weg von Natal, wo ich genau eine Person gekannt habe – nämlich Augusto. Erwähnt haben möchte ich auch, dass Recife immerhin auf Platz 35 der gefährlichsten Städte der Welt ist – so sah es dort übrigens auch aus, das „Beste“ aus Frankfurt, Bochum und Lautern 😉
Wie auch immer, es wird trotzdem nicht so heiß gegessen wie gekocht und im Endeffekt bereue ich keine Sekunde, von den 14 Stunden, die diese Auswärtsfahrt in Anspruch genommen hat. Nachdem ich auf der Hinfahrt noch ziemlich verarscht wurde, setzte man mich auf der Rückfahrt noch morgens um 5 direkt vor meiner Haustür ab, so kann’s gehen.

sede1Wenige Tage darauf kam gleich das nächste Highlight, denn das Angebot die Räumlichkeiten von TGA zu besuchen konnte ich auf keinen Fall ausschlagen, so viel war klar. Also mit Gledson, dem Vorsänger der Meute an der Mall, direkt vor der Haustür getroffen und mit ihm zum „Sede social“ gefahren. Erwähnen möchte ich noch unser Gefährt, ein VW Gol aus einem älteren Jahrgang, welchen er sich anscheinend extra geliehen hat, nur um mich mit einem Auto holen zu können – Das sagt sehr viel aus darüber, wie ich die ganze Zeit in Brasilien behandelt wurde. Jedenfalls war es lustig in einem Auto zu fahren, bei welchem 2 gigantische Risse die Scheibe zierten, das linke Vorderrad lustigste Bewegungen machte und das Getriebe sich nur mäßig für die Gänge 3 und 4 begeistern ließ. In Deutschland geht sowas sofort auf den Schrott! Aber solange es fährt?! Então, irgendwann waren wir dann in einem richtig elenden, armen Viertel angekommen, was etwas besser als Favelas war, irgendwo im Norden der Stadt. Erstaunt hat mich, dass das Hauptquartier meilenwert zu erkennen wäre, wenn es nicht in so einer verwinkelten Gasse wär. Dicke Letter, das Gruppenlogo und mehrere Vereinslogos zieren deren Räumlichkeiten von außen, die augenscheinlich ziemlich heruntergekommen sind. Was ich oben erst feststellte, ist, dass immer einer an einem arschlahmen Computer hockt, an den die Überwachungskamera am Eingang angeschlossen ist. Herein kommt man hier nur mit dem Summer und nur, wenn man berechtigt ist. Oben staunte ich nicht schlecht, denn hier wurde vermutlich ein altes Schlachthaus oder ähnliches zu den eigenen Zwecken umgebaut. Im großen Hauptraum begrüßte mich erstmal ein fast komplett leerer Raum. Dieser wird in erster Linie für das Kampfsporttraining genutzt, im Lagerraum waren die entsprechenden Bodenmatten und diverse Sandsäcke. Alles war verkachelt und wirklich spartanisch eingerichtet – 2 Plastikstühle (natürlich wurde mir sofort einer angeboten, wär ja auch nicht so, dass da 5 Leute vor mir waren), ein Tisch dazu und ein Miniminimini Schwarz-Weiß Fernseher. Nebendran war ein Verkaufsraum mit den unterschiedlichsten Artikeln – Neben dem Klassiker, ärmellosen Shirts, gab es hier auch allerhand Schlüsselbänder, CD’s, Schlüsselanhänger, Armbänder, Eintrittskarten usw zu kaufen. Die Shirts dort sind wirklich unverkennbar. Die schwarz-weißen Vereinsfarben lassen einen ABC Mob zugegebenermaßen brutal elitär aussehen, auch weil sich immer aus einem Reportoire bestimmter Motive bedient wird, die „cooperate identity“ geht also klar 😉  Wie kann man sich die Klamotten vorstellen? Sehr weiß, mit dicken Logos und großen Schriftzügen, wenig Schnörkel aber trotzdem ansehnlich. Auf jeden Fall etwas „funky“ und definitiv „etwas Anderes“.
Der Verkaufsraum war schon wesentlich besser ausgestattet, außerdem gab es hier einen Computer, der internetfähig war. Schnell wurde mir klar, dass die Jungs gerne mal schauen würden, was bei uns so geht und besonders das Video von unserer Pyroaktion in Mainz erfreute sich großer Beliebtheit. Dem Blick über den Tellerrand ist man dort also auch nicht abgeneigt! Nach Anprobieren (Wieder Klamotten), Smalltalk, dem ein oder anderen Schnappschuss zur Erinnerung und dem ein oder anderen Bierchen wurde mir dann noch angeboten, mir eine Karte für die 22 Jahre Feier zu kaufen. Dass ich überhaupt nicht überlegen musste, war wohl logisch. Also Karte gekauft, heim fahren lassen und noch ne CD mit feinem TGA Rap abgestaubt – seeeehr geil!

IMG_4114Das absolute Highlight meines gesamten Aufenthalts neben dem wirklich unfassbaren Stadtderby (wer darüber noch nicht gelesen hat und Spaß an dieser Reihe hatte, sei der Bericht ans Herz gelegt → Ingolstadt Ausgabe des „normalen“ UdH) und dem ebenso außergewöhnlichen Trip nach Recife war dann zweifelsohne die besagte Party. An meinem vorletzten Wochenende fand diese Party an einem Sonntag statt, in keiner geringeren Location als der Haupttribüne des Frasqueirão . Los ging es um 11 Uhr und gegen 12 Uhr ging es nach dem Einlass auch richtig los. Was ich irgendwie bemerkenswert gefunden habe, war, dass wirklich ALLE  vor dem Einlass durchsucht wurden. Bei mir wurde zwar locker gemacht, weil mir eh keiner zugetraut hätte, da Unruhe zu stiften, aber trotzdem seltsam, dass das anscheinend notwendig gewesen ist. Was mich drinnen erwartete wird wohl bei den meisten von euch absolute Neiderfüllung hervorrufen: Nach und nach füllte sich der Bauch der Haupttribüne mit allerhand Torcidas aus der ganzen Republik. Neben den engsten Freunden aus Ceará (Die Gruppe dort trägt den klagvollen Namen „Cearámor“), gab es auch 2 verrückte, die aus der Nähe von Rio über 3 Tage und 2500 Kilometer angereist waren – Wie gesagt für eine 22-Jahre Feier an einem Sonntagmittag – Das war einer der Punkte, an denen ich die wirkliche Mentalität der Torcidas kennenlernte. Von 2-3 Jungs, die mir zum Teil bekannt waren und zum Teil auch nicht, wurde ich während der Party „betreut“, vielmehr schauten die aber, dass ich keinen Ärger mit jemand bekomme. Im Endeffekt werden es an die 500-600 Torcidas gewesen und in der Haupttribüne und am Zaun der Haupttribüne hingen locker 15 verschiedene Fahnen befreundeter Gruppen – reiht sich nahtlos in die Ungezwungenheit der brasilianischen Kultur ein. Nachdem alle Gäste begrüßt wurden und  jede Gruppe eine Art folierten Wimpel in die Hand gedrückt bekam, wurde ich zu meiner Überraschung auch auf die Bühne gebeten und nach obligatorischem Händeschütteln mit dem eben genannten Wimpel ausgestattet. Das war die größte Ehre, die mir dort zu Teil wurde, ein unglaubliches Gefühl. Nachdem eine Reggaeton Band aufgetreten war, ging der große Rummel los. Die Trommlersektion, welche mit auffällig gelben Shirts ausgestattet ist, wurde von den Vorsängern eingesungen und die 600 Mann Meute rastete KOMPLETT aus.

(02:36min) Terror kommt von der Tribüne, wenn das Stadion bebt,
Garra Alvinegra will die Menge toben sehen,
dominiert die ganze Stadt, besitzt die Moral im Frasqueirão
es gibt niemand, der Garra nicht sieht,
die Meute ist durchdacht, es ist gut uns zu respektieren,
wer mit uns Faxen macht wird weinen, im Machadão zeigt sich,
wer der Boss der Natal’s ist, es ist die GANG von ABC,
sie hat keinen Mike Tyson, keinen Holifield und keinen Anderen,
im Stadion hat Garra Alvinegra kein Mitleid.

Mein Herz hüpfte im Takt mit und meine Haare hatten die 90 Grad zur Hautoberfläche schon lange erreicht. Das alles an einem Sonntagmittag, unabhängig von einem Spiel, der absolute Wahnsinn! Auf diesem Meet& Greet von Torcidas als mehr oder weniger offizieller Gast zugegen zu sein, das war eine absolute Ehre für mich. Ebenfalls war ich unglaublich beeindruckt von der Mentalität, der Leidenschaft und der Selbstverständlichkeit, mit welcher die Lieder vorgetragen wurden. Nie zuvor habe ich eine solche Inbrunst gesehen, bei dem Vortragen von Gesängen, Klatscheinlagen und Pogo. Über die Trommelrhythmen brauche ich eigentlich gar nicht anzufangen, nicht von dieser Welt! Viel zu schnell musste ich mich gegen 16 Uhr schon wieder verabschieden, weil ich meinen „normalen“ Freunden versprochen hatte, mit ihnen die letzte Gelegenheit zu nutzen, ein Spiel der Seleção anzusehen. Das bereue ich dann im Endeffekt doch ein bisschen ehrlich gesagt. Nach einer herzlichen Verabschiedung trennte ich mich schweren Herzens ein letztes, endgültiges Mal von den Verrückten, welche ihr Herz am rechten Fleck tragen. Viele nette Worte und die feste Abmachung, 2014 wieder zu kommen, waren das letzte, was ich mit Cristiano, Gledson und den Anderen besprach, einige Umarmungen und geschüttelte Hände später, fand ich mich dann im Taxi wieder, welches mir als Transportmittel nach Hause ans Herz gelegt wurde. Da einige Nasen von Mafia Vermelho (dem Todfeind von TGA) in Seitenstraßen zu sehen waren, war dies wohl die bessere Variante. Zu Hause berichtete ich meinem Mitstreiter von dem erlebten, jedoch nicht, ohne etwas wehmütig zu werden, ob der baldigen Abreise.

Ich fasse zusammen: Torcidas sind eine eigene Kultur für sich, die aber auf jeden Fall vergleichbare Bestandteile der Ultra- und Barra Brava-Kultur aufweist. Garra Alvinegra ist eine tolle Meute, mit einem großen Organisationsaufwand, welcher mich mehrfach beeindruckte. Einen Konvoi mit 220 Teilnehmern an einem Mittwochnachmittag zu stellen, muss erst einmal nachgemacht werden. Ich lernte Leute kennen, die einen Tag auf ihr Essen verzichten, um ABC spielen zu sehen. Bei der Auswärtsfahrt im Bus und bei der Party habe ich eine Passion erlebt, welche mir heute noch die Haare aufstellt. Torcidas sind eine großartige Anhängerkultur, die ähnlich wie die Ultras erheblich (und meist zu Unrecht) von Medien und Staat gegängelt werden. Diese Menschen haben sich genauso wie wir, dem Leben für ihren Verein verschrieben und leben genauso 6 Tage die Woche für den Spieltag. Es ersetzt genauso wie bei uns zum Teil die Familie und für viele ist die Torcidagruppe eine bessere Anlaufstelle als diese. Torcidas tragen mindestens genauso stark in ihrem Herzen die Liebe und die Leidenschaft für ihren Verein für die Ultras.

Erfreulicherweise erreichte mich kurz vor Veröffentlichung des letzten Teils noch ein sehr netter Text, den Cristiano, der Präsident von TGA, dankenswerter Weise verfasst hat. Aus Respekt und Dank gelten ihm die allerletzten Worte dieser Reihe, zunächst gilt mein Dank aber TGA:

Obrigado por tudo gente, eu nunca vou esquecer o que você fez por mim. Foi um prazer para mim conhecê vocês! Garra Alvinegra e ABC FC terá sempre um lugar no meu coração!

Liest nun noch eine kurze Zusammenfassung von Cristiano, die etwas hakelige Sprache resultiert aus der sehr straighten Übersetzung. Mir war es wichtig, möglichst unverfälscht die Sichtweise von TGA zu übersetzen:

Hallo,

mein Name ist Cristiano Fasanaro und ich bin erfreut darüber gewesen, dass außerhalb unseres Landes eine Art Dokumentation über unsere Torcida organizada gemacht wurde, die in anderen Worten und auf andere Art und Weise unseren Stil und unsere regionale Kultur zeigt, was uns glücklich macht. Ein Teil dieser Kultur ist Fußball.

Ich bin Teil meiner Torcida organizada, seit ich 13 ½ Jahre alt bin, was mir eine gute Einsicht in verschiedene Probleme gibt. Was meine Aufmerksamkeit besonders erregte, war die „andere Präsenz“, die Präsenz einer „anderen Person“ aus einem fremden Land und aus einer anderen Kultur. Wir nannten ihn „den Gringo“ und er kam bei einem Spiel und bei einer Auswärtsfahrt in unsere Mitte. Es war ein anderes Gefühl, er mischte sich schnell unter die anderen Leute und konnte andere eine Sicht für unsere Umgebung, positiv ausgedrückt eine komplett andere, in Bezug auf wirtschaftliche und kulturelle Gegebenheiten, gewinnen. Dies macht seine Präsenz nur halb so komisch, auch weil er mit unserem Freund kommunizierte, wurde er sehr gut von unserer Gemeinschaft aufgenommen und schnell als „der Gringo“ integriert, hehe. Er wurde schnell von einen Mitgliedern unserem Kommando (Sektion) Ost angenommen, in deren Bus er bei der Reise nach Recife saß. Er wurde dort von „Laus“, der Leitperson der Sektion mitgenommen und ich bin mir sicher, er konnte dort die Themen sehen, die uns beschäftigen und die andere Art zu Reisen und sich zu verhalten.

Der Konvoi hatte die Vorahnung, dass etwas passieren könnte, was auch unserer Vergangenheit mit den Torcidas von Sport Recife zusammenhängt. Das Spiel war im brasilianischen Pokal, ein sehr wichtiges Spiel, weil es für uns (durch das Weiterkommen) mehr Freude bedeutete. Weil wir mit dem Satz „Mission erfüllt“ nach Hause fahren konnten, hätte uns dieses Spiel normalerweise super zufriedengestellt. Das war nicht der Fall, denn unser Besucher bekam zu sehen, wie unsere Mitglieder behandelt werden und wie schlecht unser Fußball organisiert ist. Außerdem musste er wohl realisieren, dass wir über keine Polizei verfügen, welche mit Torcidas organizadas umgehen kann. Unsere Torcida durfte nicht ins Stadion und uns wurden die Tore verschlossen und schließlich die ganze Torcida organizada aus der Stadt getrieben. Das zeigt den Stil unseres Fußballs, in dem viel Freude, Passion und Kultur steckt, was von den Offiziellen und Funktionären in bestimmter Weise kaum beachtet wird, ebenso wie von den staatlichen Autoritäten. Der Gringo mochte nicht nur nur unsere Auswärtsfahrt, sondern auch die Größe unserer Bewegung, ihre Gedanken, den Teil einer kritischen Denkweise in einer Passion, die wir ABC FC nennen.

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Fanprojekt: Die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen!

Über ein Jahr ist seit unserem öffentlichen Schreiben an die Träger des Fanprojektes schon wieder ins Land gezogen. Seitdem hat sich vieles zum positiven geändert, weshalb wir seit dem Amtsantritt von Christian und Stefan zur Saison 2013/2014 absolut von einem, in seinen Möglichkeiten, sehr gut arbeitendem Fanprojekt sprechen können.

So wurden einige Punkte aus unserem Schreiben bestens umgesetzt. Hier sind unter anderem die stets aktuelle Facebook-Seite, feste Öffnungszeiten (Sprechzeiten) an jedem Dienstag, regelmäßiges Fußballspielen, bei dem unter der Woche zum Teil über 30 Personen teilnehmen, im Bereich Freizeitangebote, soziale Beratung, Unterstützung von Aktionen aus der Fanszene, Vermittlung bei Problemen zwischen Verein und Fanszene oder auch Polizei aufzuzählen. Auch steht das Fanprojekt Anregungen oder Vorschlägen zu verschiedenen Veranstaltungen immer offen gegenüber und unterstützt diese soweit es möglich ist. Auch sind die Mitarbeiter bei jedem Spiel anzutreffen und klären diverse Differenzen direkt vor Ort. Die Arbeit wird gut angenommen und der angegangene Weg wird als durchweg positiv bewertet.

Zwei Punkte bleiben dennoch weiterhin mangelhaft und schränken das Fanprojekt in seinen Möglichkeiten leider stark ein. Der erste Punkt sind ganz klar die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten. Auch diese wurden bereits in unserem letzten Schreiben kritisiert. Die aktuellen sind zu klein und reichen für die Größe der Fanszene unseres 1. FC Kaiserslautern einfach nicht aus. So bleiben sie an Spieltagen geschlossen, wodurch die breite Masse an Fans nicht erreicht werden kann. Am Fancontainer stehen die Mitarbeiter zwar stets mit einem offenen Ohr zur Verfügung, mit geeigneten Räumlichkeiten wäre die Arbeit durch sich neu bietende Möglichkeiten allerdings um einiges Vielfältiger und damit effektiver. Das Problem bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten ist, dass diese im Besitz der Stadt Kaiserslautern sein müssen, da die einzige „finanzielle“ Unterstützung der Stadt durch das zur Verfügung stellen der Räume besteht.

Zum anderen ist das Budget viel zu niedrig und reicht kaum zu mehr als der Spieltagsbetreuung aus. An dieser Stelle möchten wir gerne die ungleiche Verteilung der Gelder durch das Land Rheinland-Pfalz thematisieren. Das Fanprojekt Mainz bekommt vom Land beispielsweise fast doppelt so viel Geld zur Verfügung gestellt wie das in Kaiserslautern, obwohl die Fanbasis trotz Bundesliga keinesfalls größer ist. Das Mainzer Fanprojekt hat dadurch doch erheblich mehr Möglichkeiten. Dies lässt sich schon alleine an der Anzahl der Mitarbeiter absehen. Im Fanprojekt Mainz sind 3,5 festangestellte Mitarbeiter, sowie eine Honorarkraft beschäftigt. In Kaiserslautern hingegen 1,5 Mitarbeiter, genauso viele wie im Fanprojekt des Regionalligisten Eintracht Trier, bei deutlich kleinerer Fanbasis. Der Vergleich zu Mainz zeigt, dass es trotz guter Arbeit nahezu unmöglich ist mit 1,5 Mitarbeitern den Bedürfnissen der großen Fanszene, sowie den eigenen Ansprüchen vollends gerecht zu werden ohne auf Dauer mit einem Burn-Out rechnen zu müssen. Mehr Mitarbeiter bedeuten ganz klar auch größere Möglichkeiten. Halten wir fest:  Die Mindesthöhe der Drittelfinanzierung, bei der sich die Kommune, d.h. die Stadt Kaiserslautern durch das Bereitstellen der Räume, sowie das Land Rheinland-Pfalz und der DFB die Kosten teilen reicht keineswegs aus, um die strukturellen, personellen und finanziellen Ressourcen hier in Kaiserslautern zufriedenstellend abzudecken. Es ist zudem nicht zu akzeptieren, dass das Bundesland RLP sich lediglich mit 30.000 Euro an der Finanzierung beteiligt.

Um das Fanprojekt für die Zukunft gut ausgerichtet aufzustellen, sollte sich die Stadt daher entweder intensiv um größere, geeignete Räumlichkeiten bemühen, oder ihre finanzielle Unterstützung dahingehend überdenken, diese auf die Auszahlung von entsprechenden Geldern abzuändern, sodass man sich auch nach Räumen umschauen kann, welche nicht im Besitz der Stadt sind. Die aktuellen Räume platzen bei 15 Fans schon aus allen Nähten.

Gerade in einer im Vergleich strukturschwachen Stadt wie Kaiserslautern sollte der Förderung der Jugend- und Sozialarbeit ein hoher Stellenwert zukommen. Die eigenen Räumlichkeiten sollen definitiv mehr sein als „nur“ ein reiner Treffpunkt für vorwiegend jugendliche FCK-Fans. Sie sollten im Idealfall Räume sein, in denen sich Jugendliche wohl fühlen, wo sie gerne zugegen sind. Die Folge wäre, dass die Jugendlichen Vertrauen zu den Sozialarbeitern aufbauen, welche dann helfen könnten Alltagsprobleme wie Schulden, Drogen oder Probleme in der Schule zu lösen.

Rein aus fantechnischer Sicht fehlt es an Platz um Veranstaltungen wie Workshops abzuhalten. An das Anfertigen von kleinen Choreos oder Bannern kann man aktuell gar nicht denken. Dass für Vorlesungen oder Vorträge aktuell immer Räume angemietet werden müssen, kann kein zufriedenstellender Dauerzustand sein.

Das Fanprojekt braucht allgemein eine größere finanzielle Unterstützung, um die wirklich gute und nützliche Arbeit fortzuführen und durch die engagierten Mitarbeiter weiter ausbauen zu können.

Ideen für Aktionen wie ein Fanfrühstück am Spieltag, Filmvorführungen, diverse Veranstaltungen mit Referenden, Podiumsdiskussionen, Grillen, Beiratssitzungen, KOS-Veranstaltungen oder Tagungen von Fanbündnissen und bildungspolitischen Veranstaltungen gibt es en masse, leider fehlt es an Entfaltungsraum im Sinne von angemessenen Räumlichkeiten sowie an Budget.

Wenn man kein Geld zu verschenken hat, sollte man es möglichst sinnvoll investieren… erst recht, wenn das höchste Gut der örtliche Fußballverein ist.

In diesem Sinne:
Pro Fanprojekt

Unterstützer:
Generation Luzifer
Frenetic Youth
Pfalz Inferno

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Der Fan als Sicherheitsrisiko?!

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(Perspektive FCK) Am kommenden Wochenende steigt das Heimspiel unseres 1.FC Kaiserslautern e.V. gegen Dynamo Dresden. Für uns geht es wahrscheinlich noch um den Aufstieg und für Dynamo Dresden um den Überlebenskampf in Liga 2.

Überraschenderweise wurde der Vorverkauf für Fanclubs, Mitglieder und Dauerkarteninhaber durch den FCK erst sehr spät gestartet. Ein freier Vorverkauf findet offenbar überhaupt nicht statt. Wer einen Blick in den Ticketshop wirft, stellt jedoch sehr schnell fest, dass dieses Spiel noch nicht ausverkauft ist.

Um so mehr verwunderte daher diese Woche die Meldung aus Dresden, dass man vom FCK lediglich ein Kontingent von ca. 2.300 Karten zugesprochen bekommen habe. Damit erhält Dresden lediglich 4,7% des regulären Kartenkontingents. Normalerweise stehen den Gästefans laut DFL-Regularien indessen 10% der verfügbaren Tickets zu (In Kaiserslautern also ca. 5.000 Tickets). Zudem müssen die Dresdener Anhänger zunächst Vouchers kaufen (für die Mitgliedsausweis und Mitglieder-PIN benötigt werden), die dann erst am Spieltag in Kaiserslautern – mit einem damit verbundenen Busshuttle zum Gästeblock vom Messeplatz aus – umgetauscht werden können.

Man versucht so von Seiten der Polizei und des Vereins ein Sicherheitskonzept zu suggerieren, das in dieser Form aber wohl zu noch mehr Unmut und Chaos am Spieltag führen könnte. Dass Dynamo eine große und reisefreudige Fangemeinschaft hat und auch immer wieder durch “Problemfans” in die Schlagzeilen kommt, konnten wir in Kaiserslautern vergangene Saison hautnah erleben, als es neben einem versuchten Eingangssturm nach dem Spiel zu Angriffen einiger Randalierer auf die P&R-Busse mit erheblichen Sachschäden kam.

Hierbei verwendeten die bis heute nicht ermittelten unbekannten Täter Gegenstände als Wurfgeschosse und Schlaginstrumente, die zum Teil aus einer ungesicherten Baustelle stammten und zum Teil aus Flaschen, die vorher vom Ordnungsamt eingesammelt worden waren und vor Spielende nicht abtransportiert wurden. Schon in der vergangenen Saison hatte man gehofft, alles unter Kontrolle zu haben, indem man die Busse der „Ultras” abgefangen und direkt zum Stadion geleitet hat. Wie sich gezeigt hat, sind die Probleme jedoch weitaus komplexer.

Aktuell setzt der FCK nun als einer der ersten Vereine das umstrittene neue Sicherheitskonzept der DFL um. Gerade die von Seiten vieler Fans äußerst kritisch gesehene so ermöglichte Reduzierung des Gästekontingents bei Risikospielen kommt nun in Kaiserslautern erstmals zur Anwendung – obwohl der Vorstandvorsitzende Stefan Kuntz nach der Verabschiedung des Papiers noch im Dezember 2012 versprochen hatte: „Bei uns in Kaiserslautern ändert sich nichts!”

Aufgrund der letztjährigen Erfahrungen mögen viele FCK-Fans nun der Meinung sein, dass es nur recht und billig ist, dass “diese Randalierer” nur einen Teil der Karten zugesprochen bekommen. Allerdings sollte man die Angelegenheit etwas differenzierter betrachten, wie Sebastian Scheffler, 1. Vorsitzender der Perspektive FCK, zu bedenken gibt: „Solange man selbst nicht betroffen ist, denkt man vielleicht noch ‘Richtig so!’, allerdings sitzen wir alle im selben Boot. Was heute Dresden in Kaiserslautern passiert, kann uns genau so schnell treffen beim nächsten Derby in Saarbrücken, Mannheim, Karlsruhe, Frankfurt oder Mainz!”

Wie der Perspektive FCK seitens Dynamo Dresden mitgeteilt wurde, hatte Dynamo zuvor Einspruch gegen die Reduzierung des Gästekontingents erhoben. Dieser Einspruch blieb jedoch ungehört – was noch einmal verdeutlicht, wie viel das im Sicherheitskonzept vorgesehene Einspruchsrecht tatsächlich wert ist.

Wer sich etwas genauer mit der Fanszene von Dresden beschäftigt, weiß, dass diese immer und überall vertreten ist – auch wenn es wie beispielsweise vor zwei Jahren in Frankfurt keinerlei Gästetickets gibt. Auch damals war Dresden dort mit über 1.000 Fans vertreten, die sich im gesamten Stadion verteilten.

An dieser Stelle zeigt sich nun auch die besondere Problematik des aktuell noch bestehenden Sponsorenvertrages des FCK mit “Viagogo”.

Mitgliederentscheid_respektieren_Vianogo_ablehnen
Da der FCK zur Abgabe von Tickets an Viagogo verpflichtet ist, sind somit Tausende von Eintrittskarten auf diesem Weg für Jedermann frei zu erwerben. Es ist daher auch davon auszugehen, dass sich sehr viele Dresdener mit weiteren Tickets für die Nord-, Süd- und Osttribüne eindecken werden. Diese Dresdener Fans könnten so nahezu über das ganze Stadion verteilt sein und könnten sich darüber hinaus – entgegen den Planungen – frei rund um das Stadion bewegen.

Andreas Hensel, Vorstandmitglied der vor kurzem neu gegründeten Rot-Weißen Hilfe Kaiserslautern, merkt hierzu an: „Die Vorgabe der Anreisewege und der Zwang zum Umtausch der Vouchers in Tickets wie in diesem Fall ist ein weiterer Schritt zur Beschneidung von Bürgerrechten. Man kann sogar von einem ‘Hannover Light Modell’ sprechen, ähnlich wie es vor einigen Wochen beim Derby Braunschweig – Hannover angewendet wurde.”

Ob das Konzept wirklich für mehr Sicherheit sorgen kann, bezweifelt Sebastian Scheffler: „Durch das reduzierte Gästekontingent verschenkt der FCK nicht nur viel Geld, sondern zieht auch den Unmut vieler Fans auf sich. Dazu kommt noch eine schlechte bzw. gar keine Kommunikation des Vereins bezüglich der Vergabepraxis der Eintrittskarten. Gerade der Verkauf der Tickets über Viagogo könnte uns noch Probleme bereiten. Es zeigt sich daher einmal mehr, dass die Mitglieder im Dezember auf der Jahreshauptversammlung zurecht dem Vorstand die Empfehlung mit auf den Weg gegeben haben, den Viagogo-Deal nicht zu verlängern!”

Brasilien Spezial – Teil 2

(Marcello) Samstagmorgen 6:00 Uhr in Brasilien: Der Wecker klingelt, Kaffeewasser wird aufgesetzt und die Dusche betreten. Die Sonne, die schon mehr als eine Stunde knallt, erhellt unsere Küche und mein Badezimmer und bald ist auch schon der erste Kaffee getrunken. Nachdem die Sachen gepackt sind und das Frühstück verschlungen, werden wir um 7 schon abgeholt. Dieses Mal geht es aber weiter als das Frasqueirão, nämlich um in einem Condominio (umzäunter Bereich, in dem Eigentumshäuser stehen und zum Teil auch Pools, Fußballplätze und kleine Läden integriert sind) Fußball zu spielen. Kommentare wie „Spielscht ned mo bei de Zwett?“ gibt es in Brasilien kaum, denn sich dort in Condominios zu treffen, in welchem zufällig Onkel oder Schwager wohnt, ist dort Gang und Gäbe. Das passt für mich persönlich nahtlos in die brasilianische Kultur, denn Ungezwungenheit und Lockerheit gehören zu dieser unweigerlich dazu. Schön!

An dem besagten Samstagmorgen ging es um 8:30 Uhr bei schlappen 28 Grad los und schon nach dem ersten Spiel umringt von Brasilianern, Argentiniern und Chilenen war ich völlig kaputt, durchgeschwitzt und fertig mit der Welt. An diesem Tag lernte ich Binho kennen (siehe UdH-Bericht Ingolstadt), mit dem ich mich lange über den deutschen und brasilianischen Fußball unterhalten konnte. Ich habe den Eindruck gewinnen können, dass unser Verein in Brasilien über große Bekanntheit verfügt, was angesichts der aktuellen sportlichen Situation und der medialen Omnipräsenz des FC „Bayern de Munique“, welche der deutschen in nichts nach steht, durchaus positiv ist. Auch die Assoziation zum legendären Barcelona-Spiel habe ich an diesem Tag zu hören bekommen.

Dieses Erlebnis war jetzt aber nur exemplarisch, denn egal wo, es wird immer zumindest nur ein bisschen über Fußball geredet, unabhängig davon, ob man jetzt beim Friseur, in der Bar, am Strand, im Supermarkt oder sonst wo ist, ein paar Worte über Fußball werden immer verloren. Ziemlich jede unzweckmäßige Konversation in Brasilien ist damit verbunden und angesichts der Präsenz des Fußballs im alltäglichen Leben zusammen mit der WM 2014 dort, sehe ich hier eher noch Potential für eine Zunahme. In Brasilien fallen nämlich Sportarten wie Handball fast raus (gibt es zwar, aber kann mich nicht daran erinnern, jemanden getroffen zu haben, der Handball spielt) und logischerweise auch alles an Wintersportarten.

Außerdem erfreuen sich auch abgewandelte Fußballvarianten wirklich hoher Beliebtheit. Hierzu zählen vor allem Futsal und Footvolley (Mischung aus Volleyball und Fußball, ziemlich abgedreht!). Ich kann mich nicht wissentlich daran erinnern, mich über eine andere Ballsportart als Fußball unterhalten zu haben. Die starke politische (z.B. Sportministerium) und gesellschaftliche Verwurzelung hat zur Folge, dass die Torcidas, also die Fans in Brasilien, sehr nahe an ihren Vereinen und der Seleção sind und dementsprechend häufig Fußball zu einem politischen Diskussionsgegenstand wird. Dies spiegelt sich auch in den Protesten gegen und wegen der WM 2014 wider, die ich selbst miterleben konnte.

Die Proteste in Natal nahmen ihren Höhepunkt am 20. Juni letzten Jahres. Ich bin froh, dass ich euch darüber mehr erzählen kann, denn die deutsche Berichterstattung der Ereignisse habe ich als unvollständig beziehungsweise halbherzig aufgefasst. Hierzu aber später mehr! Denn um ein Gesamtverständnis für die dortige Situation zu bekommen, ist es zunächst erforderlich, ein wenig auszuholen (wofür dieses Medium ja auch gedacht ist):

Als ich Anfang April letzten Jahres in Brasilien ankam, habe ich für einen Euro etwas mehr als 2,50 Reais (R$) bekommen. Im Mai dann knapp 3,00 Reais und Ende Juni dann sogar 3,20 Reais. Also eine Inflation von etwa 20% in gerade einmal drei Monaten. Was für mich dort eine nette Sache war, da ich einfach so mehr Geld hatte, war für die Leute dort besonders bitter. In Brasilien sind die Lebensunterhaltungskosten niedriger als bei uns, dafür verfügt Deutschland aber über ein Lohnniveau, von welchem die meisten Brasilianer träumen. Zwei Drittel der brasilianischen Lohnempfänger müssen mit 460 Euro im Monat auskommen, etwa ein Viertel mit der Hälfte. Im Jahr 2007 betrug 1% des Gesamteinkommens der wohlhabenden Bevölkerung etwa 50% des Gesamteinkommens der bedürftigen Bevölkerung. Das alles geschieht in einem Land, welches seit Jahrzehnten von Korruption geplagt ist und zu guter Letzt werden bundesweit die Buspreise um 20 Centavos (0,20R$) erhöht. Was für uns wie ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, bringt dort Menschen ernsthaft in existenzielle Probleme.

Angesichts dessen habe ich es selbst als Ausländer in Brasilien als absolute Frechheit empfunden, dass dort eine WM durchgeführt werden soll. Ich habe mich mit vielen Menschen unterhalten und alle waren sich ziemlich einig: Wir nehmen jetzt die WM, aber eigentlich sind wir gar nicht bereit dafür.

Polemisch ausgedrückt werden dicke, moderne WM-Arenen irgendwo hingestellt, wo außen rum bestenfalls ein paar einfache Mietplatten stehen. Angesichts der sozialen Situation in Brasilien, wo nur ca. 15% des Haushalts in das Gesundheitssystem fließen, ist es in den Augen vieler Brasilianer (und auch in meinen Augen) ein Absurdum, dass ein solch kostenintensives Projekt in ihrem Land stattfindet. 6,3 Milliarden der 10,5 Milliarden Euro Kosten werden durch das Land Brasilien übernommen. Viele Menschen wünschen sich, das Geld wäre anderweitig investiert worden.

Auch diese riesige Investition in die WM und die entsprechende Infrastruktur hierfür war ein Grund dafür, dass es im Juni letzten Jahres endgültig gereicht hat. Gepaart mit Korruption, großer sozialer Schere, Inflation und eben der sagenumwobenen Buspreiserhöhung. Diese wurde in den deutschen Medien fälschlicherweise als alleiniger Auslöser für die Proteste in Brasilien dargestellt. Viel mehr war dies der klassische Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Das „Überlaufen“ äußerte sich in landesweiten Protesten am 20. Juni 2013, bei denen überall im ganzen Land geschätzt zwei Millionen Menschen protestierten. Der Lehrer meiner Sprachschule gab uns im Unterricht eine Woche vorher Bescheid, er würde uns gerne zu den Protesten mitnehmen, an diesem Tag würde ab 16 Uhr innerhalb der Stadt sowieso nichts mehr passieren – Also gut, abholen lassen und dann ganz in der Nähe unserer damaligen Schule geparkt. Über die „Stadtautobahn“ von Natal, die gesperrt war, setzte sich ein Mob mit über 40.000 Menschen in Bewegung und immer mehr kamen hinzu. brasilienspezial3

Alles Mögliche kam zur Forderung an diesem Abend, was mittels kleiner Plakate gezeigt wurde – Ende der Korruption, mehr Rechte für Homosexuelle, bessere Bildung und Krankenhäuser. Wie bereits gesagt: Die Buspreiserhöhung war hier definitiv kein Thema, welches im Mittelpunkt gewesen wäre, sond  ern vielmehr ein Teil des Ganzen. Der Zug zog sich unter Samba-Klängen zur größten Mall der Stadt, aber vielmehr als Partymob. Das Klima bei der Demonstration war äußerst friedlich, es wurde einfach nur darauf gesetzt, möglichst viele Menschen zu mobilisieren. Dies gelang den Menschen in Natal ausgesprochen gut! Graffitisprüher wurden ausgebuht und „keine Gewalt“ und „kein Vandalismus“ skandiert – die Demonstration sollte zu jedem Zeitpunkt friedfertig bleiben. Das war auch der Fall, als es inmitten aller Menschen eine kurze Rennerei gab, die sich im Endeffekt als unbegründet darstellte – Gruppendynamik. Die Menschen waren aber wie gesagt sehr friedlich aufgelegt – vom Fenster wurde sich gegenseitig zu gewinkt und auch das hektische Benutzen des Lichtschalters wurde mit Applaus und Jubel bedacht.

Auf Anhöhen ließ sich erahnen, wie viele Menschen hier eigentlich unterwegs sind – sowas habe ich noch nie erlebt! Ein scheinbar unendlicher Strom von Menschen, der kilometerlang durch die Stadt zog – kein Bild würde irgendwie auch nur ansatzweise den Großteil derer zeigen, die an diesem Tag auf die Straße gingen.

Allerdings gab es auch einige Menschen, die an der Mall ausrasteten und diese mit Steinen und Betonplatten bewarfen. Was ich aus der Entfernung nur erahnen konnte, sah im Fernsehen relativ hart aus: die Glasfassade der Mall hat gelitten und eine zuvor anscheinend vorsorglich positionierte Polizeieinheit knallte die eindringenden Demonstranten aus der Mall. Straßensperren und Molotowcocktails gab es auch zu sehen, waren aber anscheinend die Ausnahme.

brasilienspezial4Für mich persönlich war es äußerst beeindruckend, so viele Menschen auf einem Fleck zu sehen, die alle mit demselben Anliegen auf die Straße gehen. Menschen jeden Alters, Größe, Geschlechts, politischer Einstellung, unterschiedlichster Gesellschaftsklassen und völlig anderen Berufen haben für eine Sache eingestanden, nämlich ein besseres Brasilien. Dafür gebührt dem Land tiefster Respekt, denn es wurde mehr als nur Menschen bewegt:

Einen Tag später bereits verkündete Brasiliens Präsidentin Rousseff, dass zukünftig mehr Geld in Bildung und Gesundheit investiert werden solle, was durch Einnahmen aus den Ölverkäufen des Landes gedeckt werden solle. Ebenfalls solle ein Plan zur landesweiten Verbesserung der öffentlichen Nahverkehrssysteme entwickelt werden. Die Buspreiserhöhung wurde letzten Endes auch zurückgenommen.Allerdings verurteilte die Präsidentin Brasiliens auch den gewalttätigen Anteil der Demonstranten, was sie mit der Aussage, Gewalt sei keine Gesprächsgrundlage, untermauerte. Unerwähnt bleiben sollten aber nicht die vielen hundert Verletzten dieses Abends – hauptsächlich durch Gummigeschosse der Polizei.

An diesem Abend wurde im Land mit Sicherheit keine Revolution losgebrochen, aber mit dem Willen des Volkes und hunderten von Städten voller Menschen, die für das selbe Anliegen auf die Straße gingen, wurde die Regierung zum Einlenken gebracht. Im protestfaulen Deutschland undenkbar!

Die Proteste in Brasilien haben für den Confed-Cup auch geringfügige Auswirkungen gehabt: Die Nationalhymne wurde durch die Torcidas der Seleção nach Anpfiff gesungen und nicht zur eingespielten Musik. Für die Gäste aus den verschiedenen anderen Ländern wurde also auch so gezeigt, dass die Menschen unzufrieden sind. Diverse Spieler der Nationalmannschaft solidarisierten sich mit den Protestierenden, was letztlich vom Verband geduldet wurde.

Beim Confed-Cup wurde mir aber auch eine ganz andere Seite gezeigt: Wie der Fußball in Brasilien gelebt wird, ist einfach großartig! Es gab lediglich ein Spiel der Seleção, welches in der heimischen Wohnung angesehen wurde. Jedes Mal war bei einem Spiel der Seleção für mich etwas anderes geboten. In einer Bar gab es pro Tor der Gelben einen Caipi aufs Haus, was schon ziemlich nett war, beim Spiel gegen Japan ging es richtig rund: In der Shock Bar in Natal wurde lecker zu Mittag gegessen, um anschließend bei viel Bier gemütlich das Spiel zu verfolgen. Danach live gespielter Forró, eine feiernde Meute in der Bar und zahlreiche Schönheiten mittendrin. Die Party ging bis lang in die Nacht, aber ohne komische Aufsteckirokesen, Cowboyhüten oder sonstigem Schrott. Die Leute kommen mit Trikot, Chinos und Flip-Flops in die Bar und feiern bis etwa 22-23 Uhr, bis es dann weiter in die Stadt geht. Sehr schön!

Bei einem anderen Spiel wurden wir spontan zum gemeinsamen Anschauen in ein Apartment in Strandnähe eingeladen – Mit Churrasco Service, Liveband und allerlei Flüssignahrung für vielleicht 20 Leute. Es ist schön, wie man dort empfangen wird – alle Menschen waren sehr freundlich zu uns und ungefragt bekamen wir jeweils einen dicken Teller mit Grillfleisch, Salat und einem kühlen Bier dazu gestellt. So lässt es sich definitiv aushalten! Zu späterer Stunde, als die werte Gattin, in die der werte Gatte bestimmt auch schon den ein oder anderen Real investiert hat, auf die Idee kam, singen zu müssen, ging es richtig rund. Alle fingen an zu musizieren und schnell hatten sich diverse Leute gefunden, die verschiedene Instrumente spielen konnten. Spontaner Sambajam nach dem Spiel – Sehr geil! Sich die Spiele gemeinsam in Bars anzuschauen ist in Brasilien also absolut normal, es gehört zu der Fußballkultur genauso wie das Bier.

Obwohl die Menschen allen Grund dazu hatten, das Gegenteil zu tun, wurde die Seleção in ihrem Land unterstützt und die Stadien gefüllt. Der Fußball ist in Brasilien viel zu sehr in die Gesellschaft und das Leben der Menschen integriert, als dass es möglich wäre, sich dagegen zu stellen. Die Menschen, die an ihren Vereinen hängen, unterstützen die Seleção ähnlich enthusiastisch und Brasilien ist für mich vielleicht nicht die Heimat des Fußballs, aber auf jeden Fall Heimat einer großartigen Fußballkultur, an welcher man sich ein Beispiel nehmen kann. Andererseits sind viele Brasilianer der Meinung, ihr Land sei Teil der 2. oder gar 3. Welt und viele Milliarden wurden in die WM investiert, obwohl sich die Bevölkerung nach einem besseren Gesundheitssystem sehnt oder für bessere Bildung ihre Stimme erhebt.

Sepp Blatter, Präsident der FIFA, sieht sich in keiner Schuld, da Brasilien die WM nicht aufgezwungen wurde. Wie so oft, wird sich in diesem Konstrukt die gegenseitige Schuld zu geschoben und keiner möchte die Verantwortung dafür übernehmen, dass die WM letztlich nach Brasilien vergeben wurde.

Letzten Endes ist es schlicht und ergreifend nicht mehr zu ändern, aber ob in Brasilien in diesem Jahr eine WM angebracht ist, darf in Frage gestellt werden. Beispielhaft und für mich symptomatisch ist, dass in Brasilía ein komplett neues WM-Stadion gebaut wird, welches nach dem Turnier nicht weiter genutzt wird. Es gibt dort einfach keine großen Vereine. Die Arena das Dunas in Natal wird zukünftig auch nur sporadisch für die Clasicos genutzt. ABC besitzt bereits ein schönes Stadion, América stellt sein neues in Kürze fertig und der etwas kleinere Verein Alecrim FC kann dank eines Investors auch bald ein eigenes Stadion beziehen. Zur WM kann man also sagen, dass sie fußball-kulturell gesehen auf jeden Fall bestens aufgehoben ist, ob Brasilien sich jedoch diesen „Luxus“ einer WM leisten kann, darf bezweifelt werden – Werden wir sehen, was daraus wird!

In den letzten Zeilen dieses Teils möchte ich noch einmal den Menschen in Brasilien meinen Respekt und Dank aussprechen – Mir wurde beispiellos gezeigt, wie man als Volk ein Ziel erreichen kann – Das ist absolut beeindruckend gewesen!

 

Lest demnächst Teil 3: Garra Alvinegra – “Die Gruppe” von ABC Natal

Never forget the 96!

15. April 1989, 15:06 Uhr: Das FA-Cup-Halbfinale zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forrest wird nach sechs Minuten Spielzeit abgebrochen, da ein Block mit Fans des FC Liverpool völlig überfüllt ist. 96 Menschen kamen bei der Tragödie im Hillsborough Stadium zu Sheffield ums Leben.

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Zum 25. Jahrestag gedenken weltweit Fußballfans den Opfern. 11Freunde zeigt eine Bildergalerie mit dem Titel “25 Jahre Hillsborough – Die Fußballwelt steht still“.

Brasilien Spezial – Teil 1

(Marcello) „Na da leck‘ mich fett!“ – Das war etwa meine Gefühlswelt, als feststand, dass ich mit euch, unserer werten „erweiterten“ Leserschaft des UdH bzw. des Blogs noch mehr von meinen Erlebnissen im für mich schönsten Land auf dieser Erde teilen darf. Zunächst einmal werde ich noch die restlichen drei Spiele, von denen ich immerhin auch deren zwei im Stadion ansehen durfte, etwas aufarbeiten, sofern es sich lohnt. Des Weiteren sind noch zwei weitere Teile fest geplant.

Überraschenderweise wird es um Fußball gehen, mal mehr, mal weniger, mal auf die Gesellschaft bezogen und mal mit ganz besonderen Einblicken, auf die ihr euch freuen könnt! Aber zu viel verraten möchte und werde ich nicht und daher legen wir gleich los mit den drei anderen Partien, die ich besucht habe bzw. wollte. Los geht es mit dem Pokalspiel von ABC gegen Sport Recife:

ABC Futebol Clube – Sport Recife
08.05.2013 / Copa do Brasil (Brasilianischer Pokal) / Estádio Maria Lamas Farache („Frasqueirão“) / ca. 7500 Zuschauer

Zur späten Zeit von 20:00 Uhr machte ich mich mit meinem Mitstreiter aus der Heimat auf den Weg ins wunderwunderschöne Frasqueirão, ich bin wirklich verliebt in das Teil! Dieses MalNatal-Recife waren wir alleine unterwegs und trotz zuvor gegenteiliger Ankündigung meines Mitabiturienten, ließ er sich auch nicht lumpen und machte sich mit mir per Pedes Richtung Stadion auf. Zu Fuß braucht man von unserer Wohnung etwa eine halbe Stunde, läuft (im wahrsten Sinne des Wortes!). Unterwegs wurden mal wieder ein paar Halbstarke von Garra Alvinegra von den Cops gefilzt, irgendwie hasse ich sie ja weltweit muss ich sagen.

Am Stadion angekommen, mussten wir uns dieses Mal selber um die Karten kümmern, angesichts der Terminierung von 22:00 Uhr an einem Mittwochabend war aber klar, dass dies kein Problem darstellen sollte. Der erste Gauner wollte uns für 70 Reais eine Stehkarte andrehen, was umgerechnet ziemlich genau 28€ entspricht. Ja nee is’ klar, mit den Gringos (Googelt es, wenn euch die Bedeutung interessiert, aber nett ist es nicht) kann man’s ja machen! Der unfreiwillig neu gewonnene Freund haftete dann an uns, wie eine Scheißhausfliege in Topform, allerdings kamen wir dann mehr oder weniger zufällig an die „Kartenschalter“ des Stadions, welche äußerst ungewöhnlich gebaut sind: Der Raum, in dem die Karten verkauft werden, ist nur durch kleine Sichtnischen, welche vergittert sind, einsehbar, diese Nischen sind vielleicht 13×13 cm groß. Hatte was von einem Gefängnis, aber um diese rotzhässliche Einkaufsrechn… ähh Eintrittskarte durchzustecken, reichte es allemal.

Bei noch 45 Minuten Zeit bis zum Anstoß (entspricht gefühlt 2,5 Stunden vor Anpfiff in Deutschland), vertrieben wir uns noch die Zeit damit, uns mit allerlei Gegrilltem zu verköstigen. Ich werde auf jeden Fall vermissen, mir mit Blick aufs Spielfeld gegrillten Käse und Hühnchen für 80 Cent pro Spieß einzuverleiben. Keine Sau würde es jucken, dass ich mir noch von dieser phänomenalen Guarana-Limonade gekauft habe, allerdings ist dies auch mit einer netten Anekdote verbunden: Der etwa 50-jährige Verkäufer machte ganze schöne Augen, als ich als Mensch mit hellen Augen auf Portugiesisch bestellt habe (es wurde!). Nachdem ich ihm dann gedrückt habe, dass ich aus Deutschland bin, konnte dieser gar nicht mehr und haute alle Assoziationen zu Deutschland raus, die in seinem Kopf rumschwirrten. Mein Highlight war auf jeden Fall „Hummänicke“, welcher im Nachhinein als Vereinsmitarbeiter des 79000-fachen Deutschen Meisters Karl-Heinz R. ausgemacht werden konnte. Nett war’s und ich kann nur appellieren: Mehr Churrasco-Stände vor deutschen Stadien! – Auch wenn‘s leider nix wird!

10 Minuten und damit überpünktlich ging es für uns ins schmucke Teil, dieses Mal nahmen wir allerdings sitzend auf der Hintertortribüne im Bereich von Garra Alvinegra Platz. An diesem – Achtung, jetzt kommt’s – warmen und sommerlichen Abend (überraschend, nicht wahr? ) waren etwa 7000-8000 Leute im Stadion, die Tribünen waren schon bedeutend leerer. Kurz vor Spielbeginn begannen dann erste Pöbelgesänge, eigentlich handelt es sich bei diesem Spiel auch um ein Derby, liegt Recife schließlich NUR (und zwar wirklich „nur“) 300 km von Natal entfernt. Was in Deutschland eine Auswärtsfahrt normaler Weite ist, ist für Brasilien eine äußerst geringe Entfernung.

Recife-NatalAufgrund der schwierigen Terminierung (mittwochs 22:00 Uhr, ähhh hallo?!!) waren allerdings nur etwas über 300 Torcidas aus Recife (einer der gefährlichsten Städte Brasiliens) zugegen. Optisch konnten diese mit einer ansprechenden Zaunbeflaggung überzeugen, kurios war, dass die führende Gruppe „Saida3Pte“ sogar zwei Zaunfahnen dabei hatte. Ebenfalls konnte das schöne, gemalte, schlichte, große Banner mit der Aufschrift „Löwen des Nordostens“ überzeugen.

Der Support von Recife war gemessen an der Anzahl der Leute in den ersten 10 Minuten Wahnsinn, wenn die Torcidas von Americá so motiviert gewesen wären, wär‘s ne kranke Nummer geworden.

Zum Sportlichen: Im brasilianischen Pokal ging ABC dieses Mal erneut als Außenseiter in die Begegnung, ist doch Sport Absteiger aus der höchsten brasilianischen Spielklasse. In gewohnt aggressiver Manier spielten die Mannen in Weiß von Anfang an mit technisch ambitionierter Spielweise. Das Spiel konnte an sich gerissen werden und ABC dominierte das Spiel von Beginn an. In der 37. Minute hätte der freistehende Mittelstürmer das 1:0 machen müssen, allerdings war dieser dermaßen überrascht, dass er aus drei Metern vorbei köpfte. Ärgerlich! Mit einem schmeichelhaften 0:0 aus Sicht der Löwen ging es dann in die Kabine.

Während der Halbzeit trafen wir uns dann mit Bruno von Garra Alvinegra. Erfreulicherweise konnte ich bei diesem Gespräch feststellen, dass sich meine portugiesischen Sprachkünste immer weiter verbessern. Andererseits wäre es ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre. Nach einem relativ belanglosen Gespräch, nach welchem mir mal wieder Gruppenklamotten angedreht wurden (dieses Mal bestand ich darauf, zu bezahlen), ging es schon weiter im Text und das Spiel ging weiter. Die Torcidas um Garra Alvinegra und Camisa12 (Gegengerade), ob der engagierten Leistung der eigenen Mannen sehr motiviert, wenngleich „die Sache mit dem Support“ in Brasilien nicht so eng gesehen wird. Da sitzen auch mal welche abseits vom Supporthaufen rum, rauchen und unterhalten sich über das vergangene Wochenende. Völlig undiszipliniert und ein krasser Gegensatz zu Deutschland, allerdings ist das eben eine andere Mentalität. Die Meute, die gesungen hat, war aber gewohnt motiviert bei der Sache. Um das Liedgut zu entziffern, wird es allerdings noch die eine oder andere Woche dauern.

Ab der 55. Minute war ABC dann drückend überlegen, klasse im Spiel und mit zwingenden Chancen, welche mit einem unbeschreiblichen Pech nicht den Weg ins Tor gefunden haben, als Beispiel sei ein Torschuss aus etwa 18 Metern genannt, der drei Mal auf seinem Weg zu den Maschen abgefälscht wurde und 15 cm am Tor vorbeieierte.. Da hadert man selbst als fast neutraler Zuschauer. Nach einem weiteren Pfostentreffer hatte der Mittelstürmer mit der Nummer 9 jedoch mehr Glück. Durch eine hervorragende Ballstafette im Mittelfeld wurde dieser im Strafraum freigespielt und konnte mit einem brutalen Gewaltschuss aus rechter Position etwa neun Meter vor dem Tor netzen. Der Torjubel konnte sich wieder einmal das Prädikat „atemberaubend“ verdienen, wenn das hier immer so ist, dann feiere ich es!

Als wenn das nicht genug gewesen wäre, schlug es knappe 10 Minuten später noch einmal im Gehäuse der Gäste ein und der Jubel kannte keine Grenzen mehr. Schön anzusehen ist es immer wieder, wie Leute einen etwa 3-4 Meter hohen Maschendrahtzaun erklimmen und oben ihren Emotionen freien Lauf lassen. Fußball pur!

Neben einem Lattentreffer der Gäste nach einem Freistoß (wovon wirklich alle gefährlich waren), gab dieses Spiel nichts Besonderes her. Nach 15-minütiger Blocksperre wurde der Heimweg angetreten und auf diesem konnten einige TGA Nasen gesichtet werden, welche noch irgendwie vergeblich versuchten, an Gäste ran zu kommen. Sei es drum, ab nach Hause und zufrieden ins Bett gefallen! Fußball in Brasilien macht abgesehen vom Eintrittspreis so unglaublich Spaß!

Wer dachte, das wäre aber der Gipfel gewesen, für den kommt jetzt der Kracher: Zehn Tage später kam das nächste Ereignis der Kategorie „Hätte ich mir niemals träumen lassen“: Drei TageRecife-Natal_vorAbfahrt1 vor dem Rückspiel in Recife wurde mir einfach mal so beiläufig ein Busplatz für das Auswärtsspiel dort angeboten. Lange überlegt habe ich nicht, das könnt ihr mir glauben! Also am 22. Mai letzten Jahres gegen 14:30 Uhr mittags einmal mehr den Fußmarsch zum wuuuuuuunderschönen Frasqueirão angetreten, wo sich die beschauliche Meute von 220 Leuten, die sieben Busse füllte, dann sammelte.
Was ich aber zugeben muss und nicht unerwähnt bleiben sollte: Als ich den ersten Fuß auf den Parkplatz setzte, war mir sehr mulmig, ich war beängstigt – Zwar kannte ich nun Bruno wirklich konkret beim Namen und hatte dementsprechend einen Ansprechpartner, aber für mich war es absolut krass, mich darauf einzulassen. Erst einmal habe ich versucht irgendwo Bruno, meinen einzigen Ansprechpartner, zu finden. Dies war nicht der Fall und die Randnotiz via Whatsapp, ich solle mich im Zweifelsfall einfach an Cristiano, den Präsidenten (sehr ausgeprägte Hierarchien) von Garra Alvinegra wenden, stellte sich dann noch später als Treffer heraus. Da stand ich nun in dieser klassischen „all eyes on me“-Situation. Multikultur wie in Europa ist in Brasilien absolut unüblich und wie überall fiel ich dieses Mal ziemlich auf. Kurzzeitig dachte ich dann an Aufgabe, aber durch die bestehenden Kontakte und die Assoziation von mir zu Augusto (siehe Spielbericht in UdH Nr. 86), ging ich die Sache an und eins kann ich vorweg nehmen: Ich habe es nicht bereut, nicht mal ein bisschen!

Bruno ließ sich nur kurz vor Abfahrt blicken, Cristiano wusste aber Bescheid und tatsächlich war ein Busplatz für mich geblockt. Sehr geil! Cristiano wusste mich aber einzuordnen und auf einmal war die anfängliche Skepsis der Meute mir gegenüber wie verflogen und die Zeit bis zur Abfahrt verging wie im Flug. Mein Smartphone mit FY-Bilderordner ging rum und die Leute haben es gefeiert, besonders unseren Auftritt in Mainz. Als die Torcidas realisiert haben, dass ich einfach nur aus Interesse an der Sache mit will, fanden sie die ganze Sache ziemlich „legal“ („cool“). „Um gringo louco“ war ich trotzdem, weil mir mehrfach bereits vor der Abfahrt von mehreren Leuten gesagt wurde, dass es gar nicht soooo unwahrscheinlich sei, dass es knallt. Nun denn. Bus bezahlt, gelabert, nen Caipi getrunken und dann auf die Hauptstraße am Stadion.

Recife-Natal_vorAbfahrt2Jetzt einmal kurz zum Mitdenken: Natal und Recife liegen 297 km auseinander. Mit einem Bus braucht man in Anbetracht der Straßen dort etwa vier Stunden, die „Autobahnen“ dort gehen in Deutschland nämlich bestenfalls als größere Bundesstraße durch. Der Treffpunkt war um 15:00 Uhr, bei einer geplanten Abfahrt eine Stunde später. Wie es in Brasilien nun mal so ist, wird die Pünktlichkeit nicht besonders ernst genommen (hat, wie man sich denken kann, gute und schlechte Seiten), so dass um 17:30 im Eiltempo SIEBEN Busse ans Stadion angeheizt kamen, der eine größer, der andere kleiner, aber 220-230 Leute werden da schon drin gewesen sein. Meine Wenigkeit nahm in einem 20-Sitzer Platz. Wer jetzt etwas in Richtung Reisebus erwartet, muss enttäuscht werden, ganz einfach nur kleine Stadtbüsschen vom Privatunternehmen. Was da drin war, war ein Drehkreuz, Fahrersitz und Sitzbänke. Was bisher nicht von mir erwähnt wurde: Anstoß im Stadion von Recife, was auf Bildern ziemlich genial aussah, war um 21:45 Uhr. Dementsprechend war mir Angst und Bange, den Anstoß zu sehen, aber dazu gleich mehr.

Drinnen im Bus war ich natürlich wieder das Ereignis schlechthin, wieder wurde mir gesagt, dass es heute soooo wahrscheinlich knallt, was von mir aber halt so hingenommen wurde. Die Fahrt war ziemlich geil, die Jungs von TGA schmettern nämlich nahezu durchgehend ihre brutalen Lieder durch den Bus, Wechselgesänge mit anderen Bussen und so weiter… sehr fett!

Nach mehreren Pausen, erreichten wir gegen 22 Uhr die Stadtgrenze von Recife, um dort noch kurz eine Tanke zu entern, wo erstaunlicherweise wirklich wenig geklaut wurde (obwohl die Leute es wesentlich nötiger hätten als wir). Recife rein war wirklich ein sehr krasses und prägendes Erlebnis für mich. Von Natal kommend, geht die Autobahn in einem Tal zwischen zwei riesigen Hügeln in die Stadt, auf welchen komplett Favelas sind, waren bestimmt 10.000 Häuser der übelsten Sorte. In Recife selber staunte ich auch nicht schlecht. Ich will nicht pöbeln, aber das war schlicht und ergreifend die verranzteste, heruntergekommenste, und ungepflegteste Stadt, die ich jemals gesehen hab. Ganz ganz hässliches Loch! Irgendwann wurden wir in „Deutschland-Manier“ von den Cops ans Stadion gekarrt, in der Seitenstraße geparkt und raus aus den Bussen. Mit dem Mob die Straße zum Stadion hochgefeiert (besseres Verb fällt mir da wirklich nicht ein), dann auf einmal kurze Rennerei, weil die Bullen zwei Ketten zwischen Straße und Eingang gebildet hatten. Einer der Torcidas nahm mich am Arm und ging mit mir zu nem jungen Bullen (welch glorreiche Idee!) und steckte dem, wer ich bin und dass ich bitte in Ruhe zu lassen sei. Weniger nett die Geste vom „Freund und Helfer“: Nach sorgfälter Prüfung meines Reisepasses, sagte der auf Englisch zieeemlich unmissverständlich: „Guy I tell you one thing: Don’t make trouble! Brazilian jail is no fun!“. Alles klar, gerafft!

Irgendwann stellte sich raus, dass die Bullen ALLE durchsuchen wollten, bevor irgendeiner ins Stadion gedurft hätte. Na geil! Dementsprechend fiel die Reaktion der Meute aus und es krachte wieder mit den Bullen. Es wollten einfach nur alle ins Stadion, schließlich ging das Spiel auf die Halbzeit zu. Die nächsten Rennereien gingen los und dieses Mal prügelten uns die Cops schön zurück Richtung Busse. Um den Überblick nicht zu verlieren, hielt ich mich so gut es geht an der Seite und immer der größten „Kleingruppe“ hinterher. Wenn ich festgenommen werden würde… nee, lass’ ma stecken den Gedankengang!

Jedenfalls kam dann irgendeiner auf die noch viel glorreichere Idee, man könnte sich ja mal mit 100 Leuten Richtung Heimkurve aufmachen und das in einem guten Sprint. Ich also rein in den Mob und dann passierte etwas ganz krasses: Anstatt dass es klappt, rennt an uns ein Robocop in einem unmenschlich asozialen Vollsprint vorbei, zieht am Mob vorbei, stellt sich vor dem auf die Straße Richtung Heimkurve und ballert mit seiner Gummipump zwei Mal in die Luft. So schnell habe ich noch niemanden stehen sehen.

Ende vom Lied war dann, dass alle Kleingruppen von den Bullen an die Busse eskortiert und nach Natal zurückgeschickt wurden. Überraschend für mich war definitiv, dass das irgendwann so hingenommen wurde und die Busfeierei auf der Rückfahrt so weiterging. Gefeiert hat bestimmt auch unser Kutscher, der von einem Mitfahrer etwas kolumbianisches Nasenpuder erhalten hat, um sich auf halber Strecke für den Rest der Fahrt frisch zu machen. Naja, wenn er halt müde ist!

In den frühesten Morgenstunden gegen 5:30 Uhr erreichten wir Natal und abgesetzt wurde ich direkt vor meiner Bude, da bin ich bis heute dankbar für! Dennoch machte ich einen kurzen Abstecher zum Strand, weil der Sonnenaufgang einfach viel zu genial war, um ihn auszulassen. Dann ins Bett gefallen um mich 3,5 Stunden später für die Schule rauszuquälen. Aber das war es wert!

Zum Spiel gegen Bragantino gibt es leider nicht viel zu erzählen, außer dem Üblichen an Grillkäse, Trommelrhythmen und so weiter und sofort. Das Spiel war am 4.6., endete 1:1, und war sterbenslangweilig (1x Tor nach Elfmeter und 1x nach Freistoß). Etwas zu sagen, was nicht schon erwähnt worden wäre, gibt es also leider nicht!

Lest demnächst Teil 2 unseres “Brasilien Spezial” auf dem Unter die Haut Blog!

UdH# 98: Betze vs Kölle

Uuuii, was war da denn los? Der Aufbaugegner par excellence, unse98coverr 1.FC Kaiserslautern, ergab sich plötzlich nicht mehr völlig, um nicht zu sagen er kämpfte sich gar ein wenig aus seiner Verlierer-Rolle.

Dabei schien sich alles zu ergeben wie aus den letzten drei Partien wohl bekannt. Aue, Aalen, Cottbus, jeder Rotz-Club schaffte einen zeitigen Führungstreffer, um danach auf erbarmungslose Weise Ideenlosigkeit und Unvermögen, nicht vorhandene Courage, Führungsqualität und Biss in den Reihen unserer „Ersten Mannschaft“ offen zu legen. Zum ersten Mal in dieser Saison fanden sich keine (gesungenen/ geschrienen/ gefauchten) Worte mehr… Silentium. Später höhnischer Beifall, wütende Rufe und Unmutsbekundungen. Das Ding drohte zu kippen. Nach der Halbzeit plötzlich in die eher unerwartete Richtung: lauter werdende Gesänge, ein Betze-Feeling , das wohl ganz tief im Berg geschlummert hatte und jetzt einfach ausbrach wie eine Bestie. Die Mannschaft glaubte wieder an sich, Zoller lieferte, Dick erzwang. So geht es also auch!

Und jetzt? Noch zehn Spiele, also rechnen, bangen, hoffen? Heute hui, morgen pfui? Oder doch lieber das Feeling, die Leichtigkeit der „Stimmungswende“ des Sandhausen-Heimspiels mitnehmen? Warum denn eigentlich nicht!? Wer die WDR Reportage über den Fußball in Buenos Aires gesehen hat, erinnert sich vielleicht noch an die markigen Worte von Marcelo Patroncini (Fan von „Racing“): „Das Wichtigste ist, dass wir alle voll da sind, wenn die Mannschaft kommt. Das ist das, was uns interessiert. Wir springen, klatschen und singen. Und ja, dann haben wir das Spiel vielleicht zwei oder drei zu null verloren, natürlich bin ich dann traurig. Am Ende aber bist du doch zufrieden, weil du Lautern [Racing] dein Leben lang treu bist!“

UdH lesen,
UdH Blog besuchen,
Dale Dale Lautre!

Hier geht es zur kompletten Ausgabe Nummero 98!

Wer den Dale Lautre Spaß noch weiterträumen möchte, darf sich bis zum Spiel morgen Abend mit einem weiteren Leckerbissen vergnügen:

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Ekstase und Schock – Die Fußballhauptstadt Buenos Aires

“Ohne Fußball wären wir alle im Arsch. Wir wüssten nichts mit uns anzufangen.”

Der WDR zeigte vergangene Woche die Fußball-Doku „Ekstase und Schock – Die Fußballhauptstadt Buenos Aires“. Die Millionenmetropole ist nicht nur politisch gesehen die Hauptstadt von Argentinien, sondern auch das stimmungstechnische Epizentrum der Fußball-Begeisterung. Alleine in Buenos Aires gibt es 11 Erstligavereine und insgesamt mehr als 50 Stadien. Die bekanntesten Vereine sind “San Lorenzo”, “River Plate” und Diego Maradonna’s Heimatklub “Boca Juniors“. Die Fußballbegeisterung ist riesig. Die Menschen identifizieren sich in einem deutlich höheren Maß mit ihrer Mannschaft, als Otto-Normal-Bürger  in Deutschland das als gängig erachten würde. Es wird im Stadion gesungen, getanzt, gehüpft … Und die jungen Menschen? Die kicken einfach überall da, wo auch nur zwei Quadratmeter Platz und ein Ball zur Verfügung stehen! Und während in Deutschland noch kaum einer an die WM in Brasilien diesen Sommer denkt, sind sich die Argentinier bereits sicher, dass sie Weltmeister werden!

Die nahezu religiöse Fußballbegeisterung wird oft von einem Gemisch von Gewalt und Korruption überschattet. Im Mittelpunkt stehen die „Barra Bravas“ – fanatisch im Stadion, engagiert in ihren Vierteln und eng verstrickt mit Politik und Vereinsoffiziellen, sind sie noch am ehesten mit Ultras zu vergleichen. Allerdings ist das Selbstverständnis nicht nur hingehend der Rolle zum Verein, sondern auch beim Thema Gewalt ein anderes. Der Gebrauch von Schusswaffen und Messern in und um das Stadion sind nahezu alltäglich geworden. In besonderem Maße bei Derbys. Inzwischen ist das Verbot von Auswärtsfans von der Ausnahme zur Regel mutiert. In der Doku zeigen die Autoren Marc Mauricius Quambusch und Jan-Henrik Gruszecki viele Orte, die kein (Fußball-)Tourist jemals sehen würde. Sie treffen Fans, Fußballer und “Barra Bravas” und verschaffen dem Zuschauer Zugang zu Orten, zu denen bisher keine Kamera Zutritt hatte.  Fußball als Religion – das zeigt diese Doku.

Also klickt euch rein und nehmt euch die 45 Minuten Zeit, um in die bunte und laute Welt Fußball-Argentiniens einzutauchen!

 

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UdH# 97: Betze vs Sandhausen

97cover Aufgrund einer streikenden Festplatte wird Ausgabe 97 als besonderer Kraftakt in Erinnerung bleiben. Dass Dank einer Nacht-, Nebel- und Mittagspausen-Aktion die Ausgabe letztlich doch rechtzeitig zum Freitagsspiel den Weg in die Kurve fand, verdankt sie dem Engagement und Willen der Redaktion. Seid euch beim Lesen dieser Ausgabe also bitte in besonderem Maße dem arbeitsintensivem und punktuell nervenaufreibenden Entstehungsprozesses bewusst.

Um den Bogen mal knapp zu überspannen: Liebe Mannschaft, nehmt euch ein Beispiel hieran! Aus einem Rückschlag muss keine Niederlage entstehen. In den letzten Spielen gingen mit dem 0:1 die Köpfe runter, die Bereitschaft im Spiel Verantwortung zu übernehmen offenbar direkt unter die Dusche. Das Heimspiel gegen Sandhausen hat gezeigt, dass Spiele auch gedreht werden können. Was früher gang und gäbe auf unserem Betze war, das geht noch immer!

In der Hoffnung, dass die Knoten in den Köpfen gelöst sind, lehnen wir uns zurück, genießen die Sonne und vertreiben uns mit dem Unter die Haut# 97 die Zeit bis zum nächsten Heimspiel gegen den FC Köln. Als Titelstory haben wir einen Beitrag mit Bezug zu einem aktuellen und medial zurzeit omnipräsenten Thema erwählt. Viel Spaß beim Lesen und bis die Tage!

 

Ukraine: Ultras zwischen Waffenstillstand und Staatsstreich

Wohl das Nachrichten-Thema der letzten Wochen waren die Geschehnisse in der Ukraine. Im Fokus war vor allem der Maidan-Platz vor dem Regierungssitz vom mittlerweile ins Exil vertriebenen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Jeden Tag wurden Bilder nach Deutschland gesendet, die heftige Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten zeigten. Zwischen all den Bildern und Meldungen über Klitschkos, Tymoschenkos und so weiter, war eine Meldung dabei, die vor allem für Fußballfans von Interesse war. Und zwar hatten Ultragruppen von 34 Fußballvereinen in der Ukraine einen gegenseitigen Waffenstillstand ausgerufen. Ursache war zu diesem Zeitpunkt, laut Stellungnahme der beteiligten Gruppen, die Repression gegen Ultras, die an den Protesten beteiligt waren. Darüber hinaus wurde der Waffenstillstand aber auch damit begründet, dass gegenseitige Angriffe der Gruppen die gesellschaftliche Situation verschlechtern würden. Mit dem Waffenstillstand verpflichteten sich die Ultras auf Auseinandersetzungen zu verzichten, keine Fanutensilien anderer Ultras zu klauen und zu verbrennen, keine Graffitis anderer Ultras zu übersprühen und Gesänge und Spruchbänder gegen andere Vereine zu unterlassen.

Aber was genau steckt hinter dieser Vereinbarung zum Waffenstillstand? Und was ergibt sich hieraus? Die folgenden Zeilen sollen etwas Aufschluss geben über die Entscheidung der ukrainischen Ultras. Dieser Text soll lediglich die Fakten und Tatsachen der letzten Monate bzw. Jahre widerspiegeln. Es geht weder um die Frage nach politischen Beweggründen, noch um eine politische Analyse der aktuellen Situation. Hier geht’s vor allem darum, einen Blick auf die Geschehnisse aus einer fußball- bzw. fankulturellen Sicht zu werfen.

Vielen dürfte noch die BBC-Dokumentation „Stadiums of Hate“ über die ukrainische Fanszene bekannt sein. Nicht zufällig erschien sie pünktlich zur UEFA Euro 2012 in Polen und der Ukraine. Damals wurde damit versucht, ein einseitiges und bedrohliches Bild ukrainischer Ultras zu zeichnen. Richtig ist, dass es Gruppen gibt, die offen mit rechter Symbolik und rassistischen Gesängen im Stadion auftreten. Das versuchte auch die Doku zu vermitteln. Dennoch wirkte die Reportage eher aufgebauscht. Es sollte ein Bild von Ultras erzeugt werden, dass vor allem der Politik, aber auch der Polizei, als Legitimationsgrundlage dienen sollte, rigoros gegen Ultras und Fankultur vorzugehen – gerade auch im Zuge der EM und dabei nicht nur beschränkt auf die Ukraine. Protest gegen die kommerzielle Kultur der UEFA sollte delegitimiert werden und mit Schlagwörtern wie Hass und Gewalt diskreditiert werden.

Dass es aber auch Ultras gibt, die so gar nicht in das eindimensionale Bild der BBC-Doku passten, beweisen beispielweise die Ultras von Arsenal Kiew. Sie wurden zwar von den Filmemachern interviewt, wurden wohl aber aus oben genannten Gründen dann letztlich doch nicht für die Endfassung der Reportage berücksichtig. Mittlerweile gibt es den FK Arsenal aus Kiew nicht mehr: der Verein musste im Oktober des letzten Jahres Insolvenz anmelden und den Spielbetrieb einstellen. Trotz der engen Sichtweise der BBC Reportage waren die Darstellungen aus rein informativer Perspektive durchaus nicht falsch. Die Fankultur in der Ukraine ist, wie in vielen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, eher rechts. Vor allem die Ultragruppen White Boys Club und Ultras Dynamo von Dynamo Kiew scheinen kein Problem damit zu haben, sich von rechten Strukturen und Parteien einspannen zu lassen – und das nicht erst seit den aktuellen Protesten gegen die Regierung. So organisierte die Partei „Svoboda“ (Freiheit) 2010 in Kiew einen Fanmarsch mit 5.000 Fußballfans gegen ausländische Fußballspieler und für die Akzeptanz von rechten Symbolen in Stadien. Der Parteivorsitzende der „Svoboda“, Oleh Tjahnibok, stellt übrigens neben Ex-Boxer Klitschko die aktuelle Übergangsregierung in der Ukraine.

Auch während der Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew gab es Berührungen zwischen der Svoboda und einigen Ultras von Dynamo Kiew. So rekrutierte sich vor allem der militärische Teil der Partei aus Teilen der Kiewer Szene. Aufgabe dieser sogenannten Selbstverteidigungsmilizen war es, die Demonstranten vor Übergriffen durch die Polizei zu schützen. Aber auch wenn man sich aktuelle Bilder aus der Kurve von Dynamo Kiew anschaut, wird die Verbindung zu den Protesten deutlich. Die schwarz-roten Fahnen vom Maidan-Platz werden auch in der Kurve geschwenkt. Aber auch außerhalb von Kiew gab es Proteste, an denen ebenfalls Teile von Ultraszenen beteiligt waren. So zum Beispiel in der Westukraine, genauer gesagt in Lwiw (Lemberg). Laut Presseberichterstattungen haben dort ebenfalls Ultras begonnen, Selbstverteidigungsstrukturen aufzubauen.
Auch die Ultraszene von Karpaty Lwiw, darunter die Banderstadt Ultras, hegen gute Kontakte zur Svoboda. Im Stadion versuchen sie ebenfalls nicht gerade ihre politische Gesinnung zu verstecken. In ihre Kurve, über welche sie das Ticketmonopol besitzen, lassen sie nur weiße Ukrainer/innen. Regelmäßig zeigen sie Choreografien und Doppelhalter mit Stepan Bandera, einem Ultranationalisten und Kriegsverbrecher, auf den sich auch die Partei Svoboda beruft. Mit einer Choreografie huldigten sie einst gar einer SS-Division.

Der Waffenstillstand, der als Nicht-Angriffspakt verstanden wurde, scheint eine viel größere Wirkung zu haben, als vielleicht von den beteiligten Gruppen angenommen oder beabsichtigt. Nicht nur in Kiew und Lwiw, auch in 17 anderen Städten sind Ultras Teile der Protestbewegungen. Unter anderem in Donetsk, Kharkiw und Odessa. Trotz starker Feindschaft einiger Gruppen untereinander, scheint sich durch das gemeinsame Feindbild eine Verbrüderung im weitesten Sinne abzuzeichnen. Die Gemeinsamkeiten scheinen sowieso größer zu sein, als die Unterschiede: fast jeder Club in der Ukraine wird von einem reichen Investor geführt, der in der Regel auch noch gute Beziehungen zur Politik hat.

UdH# 96: Betze vs Aalen

Nach dem fulminanten Pokalerfolg in Leverkusen (der UdH Blog sah es kommen – siehe Post vom 12.Februar) gab es in Aue gleich den Euphorie-Dämpfer. Einige Personen behaupten 96coverzwar, der Dämpfer sei bereits die Auslosung zum DFB-Pokal Halbfinale bei den Bayern gewesen, das allerdings ist natürlich Schwarzmalerei. Ignoriert solche Ratten! Die UdH Redaktion ist überzeugt: Es ist das Los nach Europa!

Bevor Flüge gebucht werden können, gilt es aber by the way den Aufstiegskampf für uns zu entscheiden. Daher volle Konzentration auf die heutige Partie! Die Ausgabe 96 sollte als gute Einstimmung dienen. Wo wir schon beim Thema Hausaufgaben machen sind: Besonders bewerben möchten wir den nachfolgenden Gedankensprung eines unserer Mitglieder zu dem aktuellen Thema Datensicherheit und -handel.

 

 

Löscht WhatsApp!

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe, Facebook kauft What’s App für mehrere Milliarden Euro. Die Intention von Facebook ist dabei klar, verlagerten doch viele Menschen ihre privaten Gespräche weg vom Facebook-Chat in Messenger wie What’s App.

Was heißt das jetzt für uns, für Menschen die What’s App nutzen? Es steht zu befürchten, dass Facebook die Daten von What’s App abgreifen möchte, um diese mit ihren eigenen Daten zu verknüpfen. Wenn ihr euch einmal die Rechte angesehen habt, die Facebook über eure Fotos, Videos und sogar eure Kontaktlisten hat, könnt ihr euch ungefähr vorstellen, was das heißt.

Facebook verdient einzig und alleine durch Werbung Geld. Deswegen müssen immer mehr Informationen her, die immer mehr über die Internetnutzer aussagen. Der Satz „Was im Internet kein Geld kostet, bezahlt man durch seine Daten“ ist gültiger denn je.

Bereits kurz nach der Verkaufsmeldung hörte ich in meinem Bekanntenkreis die ersten Sätze wie „Ich kann nicht wechseln, sonst kann ich ja nicht mehr mit meinen Freuden schreiben. Die haben ja alle What’s App.“ Gefolgt von einem wahren Klassiker unserer Zeit „Die überwachen doch eh alles, da ist egal, wo du schreibst“. Ich möchte keinem Menschen zu nahe treten, aber das sind lediglich Argumente, um die eigene Faulheit, sich mit diesem Thema zu befassen oder sich vielleicht sogar aktiv zu engagieren, zu verschleiern.

Was spricht dagegen allen Freunden eine Nachricht zu schreiben, in der ihr sagt, warum ihr What’s App löscht und bei welchem Messenger man euch in Zukunft kontaktieren kann. Wenn ihr eine neue Handynummer habt, dann verschickt ihr doch auch eine Rund-SMS an alle Kontakte.Klar das ist anstrengender als den Status Quo beizubehalten. Möglicherweise wollen Menschen mit euch diskutieren, eine Begründung für die Entscheidung haben.

Doch das sollte es uns wert sein. In diesen Tagen kämpfen junge Menschen in der Ukraine um Freiheit und Selbstbestimmung. Für diese Werte sind Jungen und Mädchen gestorben. Und wir schenken aus Bequemlichkeit einfach unsere Selbstbestimmung weg, wer wann was von uns lesen darf? Wir schenken unsere Freiheit weg, die Freiheit, dass nicht ein Konzern alle Gespräche mit unseren Freunden speichert und für Werbezwecke verwertet?

Ich glaube noch an unsere Gesellschaft, ich glaube an die vielen Menschen, die keine Lust haben, sich von großen Konzernen veralbern zu lassen. Es kostet dich vielleicht 15 Minuten deines Lebens ein Stückchen Freiheit zu bewahren. Nutze diese Chance!