UDH# 127: BETZE VS SANKT PAULI

UnbenanntLiebe Blogleserinnen und -leser,

das letzte Spiel der Hinrunde steht an. Kein geringerer als der aktuelle Tabellendritte aus Hamburg, der FC Sankt Pauli, ist zu Gast auf dem Betzenberg. Das klingt nicht nur nach 2. Liga Spitzenspiel, schaut man auf die Tabelle, so kann man auch davon ausgehen, dass es eins wird. Immerhin sind unsre Jungs aus Lautern mittlerweile wieder auf Tuchfühlung mit den oberen Tabellenplätzen. Dem steht lediglich die schwache Heimbilanz unserer Mannschaft entgegen. Tabellenvorletzter ist man in der Heimtabelle… Geht eigentlich gar nicht. Am Sonntag besteht die Möglichkeit das etwas zu korrigieren. Also auf geht´s Jungs!

So nun aber zur aktuellen Ausgabe des UDH. Ganz besonders wollen wir euch dabei einen Gedankensprung eines unserer Mitglieder zum Thema “Sicherheit in den Stadien nach den Anschlägen in Paris” ans Herz legen:

Viel wurde in den letzten Tagen und Wochen nach den Terroranschlägen durch Anhänger des sogenannten „Islamischen Staats“ in Paris diskutiert. Und das sicherlich nicht zu Unrecht. Die Frage nach einem sicheren Leben ist in den heutigen Zeiten allgemeiner Unsicherheit nachvollziehbar. Nicht vieles ist heut zu Tage noch sicher. Das Gehalt, der Arbeitsplatz oder das Arbeitslosengeld sind es nicht. In Zeiten der Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse, die sich vor allem im Rahmen einer ökonomisch-entsicherten Lebensführung offenbart, sind viele Menschen auf der Suche nach eben mehr Sicherheit. Dass der IS vor allem ein Produkt westlicher Interventionen der letzten 20-30 Jahre in den Gebieten des Irans, des Iraks und Syrien ist, wodurch diese Gebiete und Staaten aus geostrategischen und ökonomischen Interessen durch Krieg oder Entmachtungen dauerhaft destabilisiert wurden, sollte man an dieser Stelle auch kurz mal Erwähnen. Dies kommt in der aktuellen Darstellung der Situation oftmals viel zu kurz. Das soll die Taten des IS an dieser Stelle natürlich in keinster Weise rechtfertigen. Ein differenzierterer Blick ist jedoch erlaubt. Und gerne darf der Blick auch etwas über den Tellerrand bzw. über die Grenzen Europas hinausgehen. In Beirut starben am Tag vor den Anschlägen in Paris 44 Menschen bei einem Anschlag des IS. In Ankara wurden einen Monat zuvor auf einer Friedenskundgebung durch zwei Sprengsätze über 100 Menschen getötet.

Die Notwendigkeit zu Differenzieren und eben diese aktuelle Krisensituation nicht auszunutzen, ist ein Ratschlag den ich – trotz Hoffnungslosigkeit – immer wieder gerne in Richtung der Hardliner aus Politik und Sicherheitsbehörden richte. Doch Einsicht erwarte ich nicht (mehr). Denn die Terroranschläge in Paris haben sofort eben diese Personen wieder auf den Plan gerufen. Reiner Wendt forderte die Erhöhung von Sicherheitspersonal. In seiner Funktion als Sprecher der „Deutschen Polizeigewerkschaft“ ist dies sicherlich seine Aufgabe, gegen Stellenabbau bzw. für einen Stellenausbau zu plädieren. In Zeiten solcher Anschläge finde ich dies jedoch nicht nur zynisch sondern einfach nur ekelhaft. Aber anderes ist man von diesem Herrn jedoch sowieso nicht gewohnt. Tatsächlich wurde die Zahl des Sicherheitspersonals vor sogenannten „gefährdeten Bereichen“ erhöht. Unmittelbar nach dem Anschlag wurde die Grenze zu Frankreich dicht gemacht. In Frankreich wurde gar der Notstand ausgerufen.  Dies hat dort zur Folge, dass die Polizei nicht nur jede Versammlung verbieten darf, die Behörden und Regierungen sind dadurch auch befugt,  „die Bewegung von Personen und Fahrzeugen innerhalb eines definierten Ortes und Zeitraums [zu] unterbinden“ , „Schutz- oder Sicherheitszonen einzurichten, in denen der Aufenthalt von Personen besonderen Regeln unterliegt“ sowie !Aufenthaltsverbote im gesamten Departement oder einem Teil davon für jede Person auszusprechen“.

Die Einschränkungen mögen für viele Menschen im Moment nachvollziehbar sein oder im Alltag vielleicht nicht auffallen. Wir als Fußballfans bzw. Ultras sind für dieses Thema jedoch mittlerweile übersensibilisiert – und das ist gut so. Schärft es doch unseren Blick für unangemessene und übertriebene Sicherheitsvorkehrungen. Denn unmittelbar nach dem Ausrufen des Notstandes in Frankreich wurde ein ligenübergreifendes Gästefanverbot bis Mitte Dezember verhängt. Konnten vorher in Frankreich noch vereinzelt Fanszenen ihre Vereine auswärts begleitet – sofern es sich nicht um ein „Risikospiel“ handelte – geht nun erstmal gar nix mehr. Den tatsächlichen Sinn dieses Reiseverbots bzw. Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris sucht man vergebens. Letztlich kann man schlicht davon ausgehen, dass die Polizei unter dem Schutz der Notstandsgesetze, französische Fußballfans in einer neuen und nun legalen Dimension kriminalisiert.

Auch in Deutschland nutzte die Polizei die Situation nach den Anschlägen von Paris im Zusammenhang mit dem Besuchen von Fußballspielen aus. Am letzten Spieltag wurde fünf Gästefanszenen in der ersten Liga der Besuch des  Auswärtsspiels ihrer Mannschaft verwehrt.

Und damit nicht genug. Längst wurden populistische Stimmen aus den Reihen der sogenannten Fußballfunktionäre laut, nach denen Körperscanner und personalisierte Tickets gefordert werden. Was in den Nachbarliegen längst Alltag ist und dort das Erlebnis Fußball zerstört, könnte hierzulande bald tatsächlich auch Realität werden.  Um dies zu verhindern, dürfen wir uns nicht spalten lassen. Man darf davon ausgehen, dass in den nächsten Tagen und Wochen noch vieles vermischt und in einen Topf geworfen wird. Das Thema Pyrotechnik wird dabei sicher ganz oben auf der Agenda stehen und noch für so manches Angstszenario herhalten müssen. Doch wir sollten gelassen bleiben, zusammenstehen und den Forderungen der Law and Order-Vertreter aus Fußball, Politik und Polizei nicht auf den Leim gehen. Letztlich kann es nur unser aller Wunsch sein, dass der Fußball wenigstens noch einen Rest von Freiheit verkörpert.

In diesem Sinne: Für freie und bunte Kurven – auch nach den Anschlägen von Paris!”

Hier geht’s zur kompletten Ausgabe 127!