UDH# 115: BETZE VS NÜRNBERG

UnbenanntServus Betzefans,

heute mit etwas kürzerer Einleitung – eine umfangreiche Einleitung findet ihr gewohntermaßen auf Seite 3 im “Hier und Jetzt”. Wir ersparen uns an dieser Stelle einfach mal das Copy & Paste und möchten euch einen Gedankensprung eines unserer Redaktionsmitglieder nahe legen. Und zwar geht es um aktuelle Tendenzen bezüglich sogenannter “Fankarten”, wie sie oft genannt werden – der Begriff dafür ist schon ziemlich paradox…

Viel Spaß beim Lesen!

Personalisierte Tickets in Europa

Nach den Vorfällen beim Rheinderby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1.FC Köln setzte sich DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig für personalisierte Eintrittskarten in der Bundesliga ein. In welchen Ländern es diese Art von Ticketverkäufen schon gibt und welche Auswirkungen dieses Geschäft haben kann, darauf schauen wir im folgenden Text.

Die bekannteste aller Fankarten ist sicherlich die „Tessera del Tifoso“ aus Italien. Seit diese im Sommer 2009 vom ehemaligen italienischen Innenminister Roberto Maroni eingeführt wurde, sinken die Zuschauerzahlen massiv und das Gewaltpotential hat sich in die unteren Ligen verlagert. Kein Wunder, schließlich werden nicht weniger als die persönlichen Daten, Steuernummer, Ausweisnummer und Meldeadresse auf einem Microchip der scheckkartengroßen Karte gespeichert. Trotz vieler Proteste von Ultragruppen und Vereinen wurde der Fanausweis bisher noch nicht abgeschafft.

Doch nicht nur in Italien wird von personalisierten Tickets Gebrauch gemacht, sondern auch in der Türkei. Dort führte man diese Saison die sogenannte „PassoLig“ Karte ein, bei jener man alle seine Daten beim jeweiligen Verein abgeben und zusätzlichen bürokratischen Aufwand hinnehmen muss. Kurios ist zudem, dass man beim Erwerb einer solchen Karte gleichzeitig eine Mitgliedschaft bei der Atif Bank, dem offiziellen „Sponsor“ der Karte abschließt. Als erklecklicher Nebeneffekt gewann die Bank auf einen Schlag Tausende Neukunden. Nebenbei bemerkt: Geschäftsführer der kleinen Bank ist kein geringerer als der Schwiegersohn des türkischen Premierministers Tayyip Erdogan. Gleichermaßen finden hier nicht mehr viele Fans den Weg ins Stadion und sogar bei Derbys bleiben viele Plätze frei. Auch in Ungarn hat der Hauptstadtverein Ferencvaros aus Budapest einen solchen Fanausweis eingeführt. Gründe hierfür liegen in einigen Vorfällen aus der Vergangenheit. Möchte man ein Ticket für ein Spiel des Clubs erwerben, muss der Käufer zunächst ein Formular ausfüllen. Zu guter Letzt wird noch ein Foto vom „Bewerber“ geknipst. Nun spielt der Club vor einer fast leeren Heimkurve in der heimischen Groupama Arena.

Seit einigen Jahren sind personalisierte Tickets unter anderem auch in den Niederlanden üblich. Trotz dieser Maßnahmen werden viele brisante Spiele immer noch unter einem Ausschluss von Gästefans ausgetragen, was bei vielen Anhängern zu weiterer Verständnislosigkeit führt. In Polen hingegen hat glücklicherweise die Zeit zum Umdenken angefangen und immer mehr Vereine verabschieden sich von der „Karta Kibica“. In einer ähnlichen Prozedur muss der Käufer zunächst seinen Personalausweis vorlegen und darf dann in eine Kamera grinsen. Das Foto wird schließlich auf die Karte gedruckt. Vielen Fans wurde dieser Aufwand allerdings zu viel und sie blieben den Spielen fern. Die finanziellen Schäden allerdings, welche durch die Zuschauerverluste aufkommen, belasten die meisten polnischen Vereine einfach zu sehr, um weiter an der Fankarte festzuhalten. Auch in Belgien testete der Ligaverband einst den Fanausweis; nach mehrjähriger Erfahrung wurde er wieder abgeschafft.

Trotz all der erwiesenen Nachteile will man erschreckenderweise nun auch in Dänemark auf personalisierte Tickets setzen. Ab dem kommenden Sommer soll man nur über einen Fanausweis an Tickets für den Gästebereich gelangen. Diesen möchte die dänische Fußball-Liga zur angeblichen Verbesserung der Sicherheitslage in den Stadien einführen. Der Ausweis soll verpflichtend für jeden sein, der seine Mannschaft zu Auswärtsspielen begleiten möchte. Zum jetzigen Stand werden selbst Kinder nicht davon befreit, Name, Anschrift, Geburtstag und sogar die Körpergröße anzugeben. Auch ein Foto soll bereits einige Wochen vor dem Spiel eingereicht werden. Weiterhin muss der Fan schließlich persönlich erscheinen, um sein Ticket abzuholen. Protestiert wird gegen diesen Fanausweis und dem erhöhten finanziellen Aufwand unter der Kampagne „Nej til awaykort“, in der nochmal verdeutlicht wird, dass es in der letzten Saison lediglich 19 Festnahmen in Dänemark gab und man einen hohen Zuschauerverlust durch die Einführung einer solchen Karte befürchten würde.

Im Endeffekt bleibt festzuhalten, dass personalisierte Tickets dem Fußball enorm schaden. Vielmehr haben Fanausweise bisher noch keinen positiven Einfluss auf die Stadionsicherheit oder präventive Effekte gehabt. Selbst der Ständige Ausschuss der Europäischen Konvention zur Zuschauergewalt im Sport (T-RV) äußerte sich in einem Bericht über den kroatischen Fußball negativ zu Fanausweisen – demnach scheine die Maßnahme genau das Gegenteil zu bewirken: Viele unschuldige Anhänger werden mit der Einführung einer solchen Fankarte getroffen und das Gewaltpotential verlagert sich oft auf andere Schauplätze. Die Stärke des Widerstandes halte auch friedliche Zuschauer davon ab, selbst Top-Spiele zu besuchen. So finden in den betroffenen Ländern immer weniger Fans den Weg ins Stadion, worunter unter anderem die Vereine leiden, aber vor allem der Fußball. Europaweit zeigen also die Erfahrungen, dass derartige, restriktive Ticketing-Modelle keine effektive Lösung zu angeblichen Gewaltproblemen darstellen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen in Deutschland nicht die Augen vor den negativen Folgen einer Fankarte verschließen, sondern diese vielmehr als Anlass nehmen, sich von einer solchen Maßnahme klar und deutlich zu distanzieren. Fanausweise dürfen weder als Geschäftsmodell missbraucht werden, noch dürfen sie als Rechtfertigung für angebliche Sicherheitsprobleme dienen. Sie schaden lediglich allen Beteiligten im Fußball.

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