„Fans nicht von vornherein als Täter abstempeln“

Nach dem Vorbild anderer Traditionsvereine mit großer Anhängerschaft hat sich in Kaiserslautern die „Rot-Weiße Hilfe“ gegründet. Ihr Ziel ist es, das häufig verzerrte Bild der Fußballfans in der Öffentlichkeit gerade zu rücken und Hilfe bei juristischen Problemen im Zusammenhang mit Fußballspielen zu geben.

Kaiserslautern am 6. März 2013: Nach dem Regionalliga-Spiel des 1. FC Kaiserslautern gegen Waldhof Mannheim kesselt die Polizei auf einem Parkplatz in der Innenstadt eine Gruppe von rund 50 FCK-Fans ein. Ihnen wird Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen – vom Verein erhalten sie umgehend Stadionverbote mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren. Die Sichtweise der betroffenen Fans hingegen ist eine andere: Die Einsatzleitung der Polizei habe unter Ergebnisdruck gestanden, weil sie einen Monat zuvor bei den schlimmen Ausschreitungen nach dem Heimspiel gegen Dynamo Dresden versagt hatte, und sie müssten nun die Sündenböcke herhalten.

15 Monate später sind sämtliche Strafverfahren von damals eingestellt, keiner der Betroffenen wurde schuldig gesprochen. Auch die somit nicht mehr begründeten Stadionverbote sind zum größten Teil aufgehoben.

Aufgrund von Vorfällen wie diesem hat sich vor kurzem die „Rot-Weiße Hilfe Kaiserslautern“ (RWH) gegründet, die sich selbst wie folgt definiert: „Die RWH ist eine übergreifende Solidaritätsgemeinschaft zur Unterstützung von Fans des 1. FC Kaiserslautern, die aufgrund von Ereignissen bei FCK-Spielen Probleme mit der Justiz bekommen haben.“ Beratung, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch finanzielle Unterstützung sind die Ziele des eingetragenen Vereins.

Das große Vorbild ist die „Rot-Schwarze Hilfe“ aus Nürnberg, die als bundesweiter Vorreiter gilt und bereits 2007 gegründet wurde. Auch in München (1860), Hannover, Gelsenkirchen, Dresden, Berlin (Union & Hertha), Rostock und Köln existieren mittlerweile Fanhilfen.

“Generell nimmt die Repression rund um den Fußball immer mehr zu und die Polizei kommt in der Öffentlichkeit in den allermeisten Fällen als die Partei weg, die zweifelsfrei richtig handelt. In den Medien werden meist oberflächlich die Polizeiberichte abgetippt, viel zu selten werden die Fälle wirklich tiefgründig recherchiert. Was in der Zeitung steht entspricht aber nicht den Schikanen, die man als Fan fast jedes Wochenende miterlebt. Deshalb ist es auch in Kaiserslautern an der Zeit, sich dieser Sache anzunehmen, damit die Fans nicht immer von vornherein als ‘Täter’ abgestempelt werden“, erklärt Vorstandsmitglied Andreas Hensel die Intention zur Gründung der Rot-Weißen Hilfe.

Erstmals an die Öffentlichkeit trat die RWH Anfang Mai, als eine rechtswidrige Maßnahme der Polizei gekippt wurde: Zum FCK-Heimspiel gegen Dynamo Dresden sollte pauschal allen Personen mit bundesweitem Stadionverbot (was ca. 3.000 Betroffenen entspricht) per Allgemeinverfügung das Betreten der Stadt Kaiserslautern untersagt werden. Das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße wies diese Allgemeinverfügung zurück und kritisierte in seinem Beschluss außerdem die allgemeine Vergabepraxis von Stadionverboten.

Ein anderes Beispiel gibt Rechtsanwalt Philipp Adam, der als einer von drei Anwälten mit der RWH zusammenarbeitet: „Hannover 96 wollte vor dem Derby in Braunschweig seine Auswärtsdauerkarten nur in Verbindung mit einer vom Verein organisierten Busfahrt aushändigen. Unterstützt durch die Fanhilfe Hannover klagten drei Fans im einstweiligen Rechtsschutz auf Herausgabe der Karten. Das Gericht stellte dabei zutreffend fest, dass die angedachte Vergabepraxis mit erzwungener Busreise rechtswidrig ist.“

Aber warum braucht es überhaupt eine Fanhilfe, wo in Kaiserslautern doch mit Fanbetreuung, Fanvertretung, Fanbeirat und Fanprojekt schon mehrere Anlaufstellen für die Anhänger existieren? Vorstandsmitglied Andreas Hensel hierzu: „Zunächst einmal ist zu sagen, dass es sicherlich positiv ist, wie sich die Fanarbeit in Kaiserslautern entwickelt hat. Im Gegensatz zu den genannten Institutionen kann die Rot-Weiße Hilfe Betroffenen finanzielle Unterstützung bei der Begleichung von Anwalts- und Gerichtskosten bieten. Wichtig ist uns hierbei auch, dass wir mit Rechtsanwälten, die Erfahrung in Rechtsfällen mit Fußballbezug, zusammen arbeiten. Dies ist für uns als Fanhilfe unerlässlich. Man kann als Laie auch keine juristischen Ratschläge geben, das wäre fatal. Am Spieltag selbst wird auch in den meisten Fällen ein Anwalt anwesend sein um direkt vor Ort Handeln zu können.”

Erreichbar sind die Ansprechpartner der Rot-Weißen Hilfe Kaiserslautern an Spieltagen per „Notfallhandy“, die Nummer für die kommende Saison wird noch bekanntgegeben. Eine eigene Homepage ist in Arbeit, außerdem werden die Informationen der RWH bei Facebook und Twitter verbreitet. Der Mitgliedsbeitrag, welcher zur Deckelung von Anwalts- und Gerichtskosten verwendet wird, beträgt 3,- Euro im Monat.

 

Quelle: DerBetzeBrennt.de

Fanrechtefonds

fanrechtefondsWie schon im letzten UdH #95 beim Heimspiel gegen die Spielvereinigung Fürth angekündigt, wollen wir euch hier auf dem Blog einige Workshops vorstellen, die wir beim diesjährigen Fankongress in Berlin besucht haben.

Anfangen wollen wir mit dem Workshop „Zur Notwendigkeit rechtlicher Unterstützung von Fußballfans“. Zusammen mit dem Fanrechtefonds, der Arbeitsgemeinschaft der Fananwälte und lokaler Rechtshilfen ging es darum welche Möglichkeiten zur rechtlichen Unterstützung bereits existieren, wie zusätzlich lokal rechtliche Unterstützungen in Form von Fanhilfen aufgezogen werden können und warum dieses so wichtig ist.

„Stell dir vor, du fährst zu einem Auswärtsspiel, der Bus hält an einem Autobahnrasthof und genau dort kommt es zu einem Zwischenfall. Vielleicht, weil jemand aus dem Bus meinte das Bier für umsonst mitnehmen zu können, oder jemand fühlte sich provoziert und es gab ein Handgemenge. Die Polizei wird gerufen und stellt die Personalien aller Mitreisenden fest. Später wirst du erfahren, dass gegen dich, wie gegen alle anderen, ermittelt wird. Das ist rechtens und du musst dir keine Sorgen machen. Du hast ja nichts getan. Du bist unschuldig und du giltst als unschuldig. Das Verfahren wird irgendwann eingestellt werden, vielleicht wegen erwiesener Unschuld, vielleicht wegen mangelnder Beweislage, vielleicht verzichtet der Staat wegen Geringfügigkeit auf weitere Aufklärung. Kein Problem, oder doch? Inzwischen hast du einen netten Brief erhalten, in dem dir erklärt wird, dass du für die nächsten Monate beziehungsweise Jahre keine Fußballspiele mehr besuchen darfst. Auch wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, bleibt dieses Stadionverbot bestehen. Dein Name ist jetzt vielleicht in einer Datei, in der die Polizei Angaben zu Gewalttätern sammelt. Du willst ins Ausland fliegen und man weist dich an der Grenze ab, weil gerade ein brisantes Spiel einer deutschen Mannschaft in jenem Land bevorsteht und weil man nicht riskieren will, dass “potenzielle Gewalttäter” –  wie du – dorthin reisen …“

Für die meisten Normalbürger sind solche Vorfälle unvorstellbar. Für aktive Fangruppen, die sich auch abseits der tollen Weltmeisterschaftsstimmung in Fußball-Deutschland bewegen sind solche und weitere Dinge aber fast jedes Wochenende an der Tagesordnung. Beim Fankongress in Berlin berichtete Wilko Zicht über den Fanrechtefonds, der bereits 2006 gegründet wurde um die Rechte von Fußballfans gegenüber den Veranstaltern, deren Ordnungskräften sowie gegenüber der öffentlichen Gewalt zu wahren, durchzusetzen und zu stärken. „Wir denken, dass Recht und Gesetz nicht nur auf Seiten der Anderen stehen kann. Deshalb wollen wir prüfen lassen, ob der Staat wirklich so mit uns Fußballfans umgehen darf. Rechtsprozesse kosten allerdings viel Geld. Wir wollen nicht den Dieb schützen, der das Bier klaut und nicht den Schläger, der der Meinung Anderer Fausthiebe entgegensetzt. Wir wollen uns nicht vor denjenigen stellen, der mit Leuchtkugeln auf andere Zuschauer zielt. Wir wollen vielmehr, dass friedliche Fußballfans nicht länger kriminalisiert und für die Vergehen Anderer bestraft werden.“

Laut Zicht ist man immer auf der Suche nach Musterfällen, zum Beispiel die Datenweitergabe von Vereinen an die Polizei, Beförderungsausschlüsse der Deutschen Bahn (“Die werden nach unseren Erkenntnissen immer mehr”) oder Stadionverboten aufgrund von Drittortauseinandersetzungen. Für 2014 hoffe er auf ein Urteil des Verfassungsgerichts aus Karlsruhe, das verbietet, Stadionverbote auf Verdacht auszusprechen. Er zählte auch ein paar Erfolge des Fanrechtefonds auf. So sollen zum  Beispiel keine Stadionverbote mehr aufgrund von Beamtenbeleidigung ausgesprochen werden. Er ermutigt die Szenen, bei Problemen und Fragen auf den Fanrechtsfond zuzugehen – gleiches gilt natürlich auch für Einzelpersonen, denen im Zusammenhang mit Fußballspielen etwas wiederfahren ist und die Hilfe benötigen. Zur Zeit stünden ausreichende Mittel zur Verfügung, um solche Musterfälle finanziell zu unterstützen. Das Projekt Fanrechtefonds wird getragen von zahlreichen deutschen Fanclubs und Fangruppen, von den beiden überregionalen Fanorganisationen BAFF und PRO FANS sowie von vielen Einzelpersonen. Ein aus fünf Fans verschiedener Vereine bestehender Kassenrat entscheidet im Einklang mit der Satzung des Treuhandkontos über die Verwendung der Spenden. Zwei Anwälte verwalten das Geld und überwachen die satzungsgemäße Nutzung.

Infos über den Fanrechtefonds, Kontaktmöglichkeiten aber auch die Möglichkeit, das Projekt mit einer Spende zu unterstützen, findet ihr unter www.fanrechtefonds.de.